Fintechs profitieren vom Geldregen der Risikokapitalgeber

Jungunternehmen aus dem Finanzsektor gehören laut einer Studie zu den Start-ups, die 2021 am deutlichsten von der Kapitalflut der Investoren profitiert haben. Insbesondere die Finanzierungsrunden von N26 und Trade Republic stechen heraus.
Geldregen für Start-ups (Symbolbild) | Foto: picture alliance / agrarmotive | Klaus-Dieter Esser
Geldregen für Start-ups (Symbolbild) | Foto: picture alliance / agrarmotive | Klaus-Dieter Esser

Wenn Christopher Schmitz auf die Start-up-Finanzierungsrunden des vergangenen Jahres blickt, sieht er einen anhaltenden Boom. "Das Kapital ist weiter auf der Suche, die Dynamik ist ungebrochen - und es gibt auch viele Financial Services Unternehmen, die bereits mit Fintechs kooperieren", erklärt der EY-Partner, der im im Bereich Strategy and Transactions - Finanzdienstleistungen tätig ist.

Gerade hat die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ihr jährliches Start-up-Barometer veröffentlicht und stellt fest: Nie zuvor haben deutsche Jungunternehmen so viel Risikokapital erhalten wie im vergangenen Jahr. Demnach stieg die Zahl der Investitionen 2021 um 56 Prozent auf 1.160, der Gesamtwert aller Risikokapitalinvestitionen hat sich  von 5,3 auf fast 17,4 Mrd. Euro mehr als verdreifacht (plus 229 Prozent).

N26 und Trade Republic mit Spitzenabschlüssen

Fintechs gehören - neben E-Commerce- und Software-Startups - zu den Spitzenreitern: Jedes der drei Segmente hat im vergangenen Jahr mehr als 3,5 Mrd. Euro auf sich vereint.

Anders als noch vor einigen Jahren gehe es bei der Finanzierung junger Finanzunternehmen aber nicht mehr nach dem "Prinzip Gießkanne".

"Die Investoren haben ihre Favoriten im Fintech-Bereich entdeckt, deshalb fließen bei Banking- und Trading-Fintechs nun auch tendenziell größere Volumina in einzelne stark wachsende Start-ups - eine geringere Anzahl von Finanzierungen mit in Summe aber steigenden Investitionsvolumina ist die Folge", erklärt Schmitz im Gespräch mit FinanzBusiness.

So vereint der Subsektor Banking einen Zustrom von fast 1,3 Mrd. Euro das meiste Investitionskapital auf sich. Top-Deal war die Finanzierungsrunde von N26, bei der sich die Berliner Neobank 775 Mio. Euro sichern konnte.

N26 holt sich frisches Geld - und deckelt das Neugeschäft

Auch der Subsektor Trading verzeichnete Zuflüsse von mehr als einer Milliarde Euro. In diesem Bereich wurden die meisten Finanzierungsrunden gezählt, die 747 Mio. Euro-schwere Finanzspritze an Trade Republic war hier der Spitzendeal.

Berliner FinTech Trade Republic schließt weitere Finanzierungsrunde ab

Trade Republic's Geldspritze kommt aus dem Silicon Valley

Obwohl viele traditionelle Finanzunternehmen sich immer stärker auf Kooperationen mit Fintechs einlassen, sind sie jedoch selten unter den Geldgebern.

"Nach wie vor sehen wir relativ wenige direkte Investments von Corporate-Seite, das Geld kommt dann auch meist nicht von Banken, sondern eher aus dem Speckgürtel des stark wachsenden Payment Segments", beobachtet EY-Partner Schmitz. Ein Beispiel: Die Investition von Visa in das Start-up Tink.

Visa erwirbt schwedische Open-Banking-Plattform Tink für 1,8 Milliarden Euro 

Das Jahr der Einhörner

Insgesamt zählte EY im vergangenen Jahr acht Finanzierungsrunden, bei denen jeweils mehr als 500 Mio. Euro an die Unternehmen floss – zum Vergleich: Im Vorjahr war keine einzige Transaktion in dieser Größenordnung registriert worden, 2019 nur eine.

Mit der Zahl der Mega-Transaktionen ist auch die Zahl der Jungunternehmen gewachsen, deren Bewertung über der 1-Milliarde-US-Dollar-Marke liegt - und die sich daher als "Einhörner" bezeichnen dürfen. 

"2021 war dank vieler hoher Investitionsrunden und hoher Bewertungen das Jahr der Einhörner in Deutschland. Und viel spricht dafür, dass die Entwicklung im Jahr 2022 ähnlich dynamisch verlaufen wird“, sagt EY-Partner und Studienleiter des Start-up-Barometers Thomas Prüver in einer Mitteilung.

Für den deutschen Finanzierungsmarkt ist das ein gutes Zeichen - weil man als Standort mehr und mehr auf dem Schirm der internationalen Schwergewichte unter der Risikokapitalgeber auftaucht. So kommen auch die Finanzierungen für die Fintech-Stars aus den USA.

SaaS-Lösungen und Digital Assets sind im Kommen

Während die bereits "groß" gewordenen Fintechs die großen Summen anziehen, arbeitet eine neue Generation von Start-ups bereits an den nächsten Trend-Themen.

"Wir sehen derzeit auch viele Investitionen im Financial Services-nahen Softwarebereich, also in Software-as-a-Service und künstliche Intelligenz. Diese Segmente sind auch für Private Equity besonders interessant, weil hier die Wachstumsmöglichkeiten noch besonders groß sind", sagt Schmitz.  In dem von EY definierten Bereich Software & Analytics versteckt sich daher auch ein Fintech-Player wie Mambu im Start-up-Barometer. Der hatte Ende 2021 eine Finanzierungsrunde mit 235 Mio. Euro abgeschlossen.

"Neue Themen sind Digitale Assets und Digital Currencies", sagt Schmitz. "Der Bereich ist noch recht klein und die Unternehmen stehen noch am Anfang – deshalb sind auch die Finanzierungsrunden noch nicht so groß. Dafür ist aber die Bedeutung dieses Sektors für die Transformation der Branche umso größer", erklärt der EY-Partner.  "Wir sehen hier einen echten Wandel im Mindset: Weg vom Bitcoin-Trauma, hin zu der Gewissheit, dass in der Digitalisierung von Assets die Zukunft der Kapitalmärkte liegt." 

Die Hauptstadt boomt

Die Berliner Fintechs und Insurtechs kamen 2021 besonders gut weg: Insgesamt flossen 3,8 Mrd Euro in diese Start-ups in der Hauptstadt. Damit folgen sie dem allgemeinen Trend, denn laut Prüver werden die wirklich großen Deals vor allem in Berlin und Bayern abgeschlossen. "Für die anderen Startup-Standorte ist es hingegen schwer, da mitzuhalten. Zwar steigen auch hier die Investitionssummen. Unterm Strich ist man aber weit entfernt von den Größenordnungen, die in Berlin inzwischen Alltag sind", sagt er in einer Mitteilung.

So lag die durchschnittliche Investitionssumme pro Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr in Berlin bei 21 Mio. Euro, in Bayern bei 19 Mio. Euro und in Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen nur bei acht bzw. sechs Mio. Euro.

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