Nagel: Juni-Zinssenkung muss nicht Auftakt einer Serie sein

”Wir sind nicht auf Autopilot”, sagte der Bundesbankpräsident in einem Interview. Die Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung und die Preisentwicklung sei nach wie vor groß.
Joachim Nagel | Foto: Torsten Silz
Joachim Nagel | Foto: Torsten Silz
Reuters

Auf eine mögliche Zinssenkung der EZB im Juni müssen aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel nicht notwendigerweise weitere Lockerungsschritte folgen. Zwar sei ein Schritt nach unten im Juni plausibel, sollten die Daten sowie die neuen Konjunktur- und Inflationsvoraussagen der EZB-Volkswirte die jüngsten Einschätzungen der Währungshüter bestätigen, sagte Nagel dem ”Handelsblatt” und weiteren europäischen Zeitungen in einem Interview. ”Doch selbst bei einer ersten Senkung im Juni bedeutet das nicht, dass wir die Zinsen in den darauffolgenden Sitzungen weiter senken werden”, führte er aus. ”Wir sind nicht auf Autopilot.”

Nächstes Zinstreffen am 6. Juni

Das nächste Zinstreffen der Europäischen Zentralbank (EZB) findet am 6. Juni in Frankfurt statt. Die darauffolgende Zinssitzung ist dann für den 18. Juli geplant. Vor wenigen Tagen hatte sich bereits EZB-Direktorin Isabel Schnabel zurückhaltend zum weiteren Zinspfad nach dem Juni geäußert. Der Weg sei dann deutlich unsicherer, sagte sie. Eine Herabsetzung der Zinsen im Juli sei, basierend auf den aktuellen Informationen zur Wirtschaft, nicht gerechtfertigt.

”Die Unsicherheit bezüglich der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung und der Preisentwicklung ist nach wie vor groß”, sagte Nagel den Zeitungen. Deshalb entschieden die Währungshüter von Sitzung zu Sitzung. ”Momentan bin ich mit dem Ergebnis unserer zehn Zinserhöhungen zufrieden und denke, dass wir bereit für eine erste Zinssenkung sein könnten.”

Zehn Zinserhöhungen

Die EZB hat seit Sommer 2022 im Kampf gegen die Inflation die Zinsen zehn Mal in Serie angehoben - zuletzt im September 2023. Seitdem steht der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, auf dem Rekordniveau von 4,0 Prozent. Die Inflation im Euro-Raum ist von mehr als zehn Prozent im Herbst 2022 inzwischen auf 2,4 Prozent im April gesunken. Das liegt nicht mehr weit vom Zwei-Prozent-Ziel der EZB entfernt.

Es könnte einige Monate geben, in denen die Inflation wieder leicht ansteige, sagte Nagel. Denn einige Preise, insbesondere Energiepreise, würden Schwankungen unterliegen. ”Insgesamt rechne ich damit, dass die Inflation weiterhin auf unser Ziel von zwei Prozent zurückgeht und dieses im Jahr 2025 erreicht wird.” Die Währungshüter müssten aber vorsichtig bleiben. ”Zinssenkungen sollten wir nicht überstürzt vornehmen und damit das Erreichte gefährden.”

EZB-Direktorin Schnabel: Zinsweg nach Juni ist offen

Anzeichen für eine sich selbst verstärkende Lohn-Preis-Spirale sieht Nagel nicht. ”Ich erwarte, dass sich das Lohnwachstum abschwächt, während die Inflation weiter zurückgeht.” Das sei aber nur eine Erwartung. Hier liege einer der Faktoren, die für Unsicherheit sorgten. Stärkeres Lohnwachstum könne zu stärkerem Preisdruck führen. Nagel mahnt daher: ”Wir müssen das Lohnwachstum, die Gewinnmargen der Unternehmen und deren Auswirkungen genau im Auge behalten.”

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