Das Europäische Parlament hat den Weg freigemacht, Investitionen in Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig einzustufen. Damit dürften die sogenannten Taxonomie-Regeln für den Finanzmarkt ab 2023 greifen. Nur ein Veto von 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten könnte das noch verhindern, was allerdings als sehr unwahrscheinlich gilt.
Von den anwesenden 639 Abgeordneten stimmten am Mittwoch 328 dagegen, das Vorhaben zu blockieren, 278 stimmten dafür, 33 enthielten sich. Für ein Veto des Parlaments wäre eine Mehrheit von 353 Stimmen der insgesamt 705 Abgeordneten nötig gewesen.
Die Taxonomie ist eine Liste von Aktivitäten, die Investoren in der EU als grün vermarkten können. Mit dem Öko-Label sollen Investitionen am Finanzmarkt gezielt in nachhaltige Technologien und Energiequellen fließen. Ein Teil der Regeln für weniger umstrittene Bereiche ist bereits dieses Jahr in Kraft getreten, dabei geht es unter anderem um Elektroautos und die Renovierung von Gebäuden.
Bundesregierung will nicht klagen
Frankreich ist die treibende Kraft hinter den umstrittenen Plänen, Atomkraft ein Öko-Label zu verleihen. Die dort vorherrschende Form der Energieerzeugung produziert zwar keine klimaschädlichen CO2-Emissionen, dafür aber radioaktiven Abfall. Gas wird zudem von einigen EU-Ländern wie Polen als das kleinere Übel im Vergleich zu der noch klimaschädlicheren Kohle gesehen.
Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, nicht gegen den Beschluss der EU klagen zu wollen - obwohl sie sich eigentlich gegen die Einstufung der Kernenergie als nachhaltig positioniert hatte. Auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) hatte im Vorfeld in einem Offenen Brief die Einstufung der Atomkraft kritisiert.
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Die deutsche Fondsbranche kritisierte die Entscheidung. Ein Veto des Parlaments wäre angebracht gewesen, sagte Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des Verbands BVI. Die Entscheidung sei nicht nur politisch, sondern auch wissenschaftlich umstritten. Umweltverbände hatten die Pläne immer wieder als Mogelpackung bezeichnet.
Kritik an den EU-Taxonomie-Plänen kommt auch aus der Bankenbranche
Auch Magdalena Senn, Referentin nachhaltige Finanzmärkte bei der Bürgerbewegung Finanzwende, kritisierte das Abstimmungsergebnis als ”Desaster für nachhaltige Finanzmärkte”.
”Atom und Gas beschädigen die Glaubwürdigkeit der Taxonomie massiv. Statt Klarheit bei nachhaltigen Geldanlagen zu schaffen, wird diese Taxonomie bei Verbraucherinnen und Verbrauchern für Verunsicherung sorgen”, meint sie.
Vorgesehen sind jetzt drei Klassen - die erste für komplett grüne Investments etwa in Windparks, die zweite für Hilfstechnologien etwa zur Speicherung von Energie. Die dritte und umstrittene Gruppe sind Übergangsaktivitäten. Hierzu zählen Atom- und Gaskraftwerke.