Bankenchefs geben sich in Wirecard-Befragung ahnungslos

Gestern traten Martin Zielke, Christian Sewing, Marcus Kramer und Markus Chromik in den Zeugenstand. Sie gaben Einblick in die Entscheidungsfindungsprozesse ihrer Institute, dem ehemaligen Dax-Konzern Kredite in Millionenhöhe zugestanden zu haben.
Symbolfoto | Foto: picture alliance / Zoonar | Katerina Solovyeva
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Ulrike Barth, Archibald Preuschat, Leonie Weigner, DPA

(Aktualisiert: Stellungnahme der Commerzbank)

Es ging mal wieder bis tief in die Nacht. Die Befragung von Deutschlands Top-Managern im Wirecard-Untersuchungsausschuss dauerte bis nach Mitternacht. Den Anfang machte BayernLB-Vorstand Marcus Kramer, der sich zweieinhalb Stunden den Fragen der Abgeordneten stellte. Denn die Landesbank aus dem Freistaat ging - anders als die anderen Institute - schon früh auf Distanz zu Wirecard und beteiligte sich 2018 nicht an dem Konsortialkredit.

Diese Fragen erwarten Sewing & Co heute zu Wirecard 

"Im Zentrum dieser Überlegungen stand: Wenn wir 150 Mio. Euro oder mehr aus der Hand geben, dann nur, wenn wir wirklich den Kunden sehr, sehr gut verstehen", sagte Risikovorstand Kramer gestern.

Man habe Wirecard zu diesem Zeitpunkt aber erst zwei Jahre gekannt, das sei zu wenig Zeit gewesen. Zugleich seien wichtige Fragen zum Geschäftsmodell und der komplexen Bilanzstruktur des aufstrebenden Fintechs offen geblieben. Zu keinem Zeitpunkt sei man aber von irgendwelchen kriminellen Handlungen oder Betrug ausgegangen.

Commerzbank hegte keine Zweifel an Werthaltigkeit von Wirecard-Kredit

Nach Kramer trat Marcus Chromik, Risikovorstand der Commerzbank, ab 16:30 Uhr in den Zeugenstand. Denn auch Deutschlands zweitgrößte Privatbank zog sich frühzeitig zurück - wenn auch mit nicht ganz so gutem Ausgang: Die Insolvenz des Zahlungsdienstleister kostete sie 175 Mio. Euro.

Im April 2019 beschloss das teilweise verstaatlichte Institut, schrittweise aus einem Kredit für Wirecard auszusteigen. Ein sofortiger Ausstieg sei nach Einschätzung der Hausjuristen nicht möglich gewesen, sagte Ex-CEO Martin Zielke, der auf Chromik folgend gestern vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Mittlerweile ist der Abend schon weit fortgeschritten.

Analystin hatte Kontakte zu Wirecard

Der Ausstieg hatte Zielkes Angaben nach aber nicht mit Zweifeln an der Deckung des Kredits zu tun. "Die Werthaltigkeit des Kredits war zu diesem Zeitpunkt nicht infrage gestellt", so Zielke.

Ob dabei auch die Meinung der Commerzbank-Analystin Heike Pauls eine Rolle spielte, ist eine offene Frage. Die Commerzbank hatte per 14. Januar das Research zu Aktien aus dem Sektor Telekommunikation und Medien zeitweise ausgesetzt. "Diese Entscheidung basiert auf einer Reallokation von Analyseressourcen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Betroffen sind zehn Werte, für alle war Pauls in der Vergangenheit verantwortlich.

Interne Commerzbank-Prüfung noch nicht abgeschlossen

Nach Informationen des Spiegel soll Pauls das Wirecard-Management mit Informationen über kritische Investoren versorgt haben. "Die Commerzbank prüft mit Blick auf das Thema Wirecard unterschiedliche Aspekte sehr sorgfältig. Diese interne Prüfung ist noch nicht abgeschlossen", heißt es in der Commerzbank-Stellungnahme lediglich.

Ein Sprecher des Instituts lehnte es ab, Angaben zum Beschäftigungsstatus von Pauls zu machen. "Zu einzelnen Mitarbeitern äußern wir uns grundsätzlich nicht", sagte er FinanzBusiness. Die Bank hatte sich bereits gegenüber der britischen Zeitung "Financial Times" für die "falsche Wortwahl" Pauls bei konkreten Aussagen im Januar 2019 entschuldigt, so das Institut weiter.

Sewing wusste nichts von Übernahmeplänen

Als letzter Zeuge tritt Deutsche Bank Chef Christian Sewing um kurz vor Mitternacht vor die Abgeordneten. Bei seiner Befragung geht es nicht nur um die Kreditvergabe des Instituts an Wirecard, durch den die Deutsche Bank nach Angaben des CEOs 18 Mio. Euro verlor. Sondern auch um das sogenannte "Projekt Panther", laut dem Wirecard Pläne hegte, die Deutsche Bank zu übernehmen.

Sewing will davon nichts gewusst haben und erst durch eine Medienanfragen im Sommer 2020 davon erfahren. Wirecards Ex-Chef Markus Braun habe Anfang 2019 lediglich mit ihm darüber gesprochen, ob eine Zusammenarbeit in einzelnen Bereichen sinnvoll sein könnte, sagte Sewing. Er habe die Zukunft der Deutschen Bank als Tech-Unternehmen mit angeschlossenem Bankgeschäft gesehen. Die Idee sei jedoch wenig konkret und "hypothetischer Natur" gewesen. Wenn man zu diesem Zeitpunkt von Übernahmeplänen gewusst hätte, hätte man nicht mit Wirecard über ein solches Vorhaben gesprochen.

Die Befragung von Bankmanagern geht heute weiter. Geladen sind ab 08:30 Uhr der Chef der KfW Ipex Bank Klaus Michalak und der CEO von Goldman Sachs Europe, Wolfgang Fink.

Sieben Banker stellen sich heute den Fragen des Wirecard-Untersuchungsausschusses 

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