"Als würde man im Himmel Ampeln aufstellen, um den Flugverkehr zu regeln", sagt Julian Grigo

Die Krypto-Gemeinde in Deutschland ist über die Kryptowertetransferverordnung verärgert. Julian Grigo, Managing Director bei der Solarisbank, erklärt im Gespräch mit FinanzBusiness, wie sich die angedachten neuen Regeln auf die Geschäftsmodelle deutscher Marktteilnehmer auswirken würden.
Julian Grigo, als Managing Director der Solarisbank zuständig für Digital Assets | Foto: Solarisbank
Julian Grigo, als Managing Director der Solarisbank zuständig für Digital Assets | Foto: Solarisbank

Immer mehr Menschen in Deutschland kaufen Bitcoin, immer mehr Banken wollen ihnen das ermöglichen. Doch in die neue Krypto-Euphorie platzte vor einigen Wochen ein Verordungsvorschlag des Bundesfinanzministeriums: Die Kryptowertetransferverordnung (KryptoTransferV) soll den Missbrauch der Kryptowähurngen zur Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung verhindern. In der Krypto-Gemeinde sorgt der Entwurf allerdings für Stirnrunzeln.

"Als Solarisbank, deren Banking-as-a-Service-Geschäftsmodell ja auch in gewisser Weise Compliance ist, haben wir grundsätzlich kein Problem mit Regulierung, gerade dann, wenn sie zur Rechtssicherheit beiträgt", sagt Julian Grigo, als Managing Director der Solarisbank zuständig für Digital Assets, im Gespräch mit FinanzBusiness. Die Tochter der Solarisbank macht Bitcoin & Co für Banken und Fintechs zugänglich, indem sie ihnen ermöglicht, Krypto-Wallets anzubieten.

Als etwa die Kryptoverwahrlizenz in Deutschland eingeführt wurde, war bei der Solarisbank sofort klar, dass man sich dafür bewerben werde, berichtet Grigo. Der ehemalige Bitkom-Lobbyist ist im Herbst 2020 zu dem B2B-Fintech gewechselt.

"Aber beim Blick auf die neue Verordnung müssen wir sagen: Wir sind alarmiert. Um ein Bild zu benutzen: Es ist so, als würde man im Himmel Ampeln aufstellen wollen, um den Flugverkehr zu regeln. Dabei verfügen Flugzeuge und Flugsicherung ja bereits über modernste und dem Luftverkehr viel angemessenere Sicherheitssysteme."

Auch die Deutsche Kreditwirtschaft und der Digitalverband Bitkom haben bereits ihre Kritik an den Plänen des BMF geäußert. An der Stellungnahme des Bitkom war die Solarisbank beteiligt.

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Parallele Systeme

Ganz konkret skizziert Solarisbank-Manager Grigo vier maßgebliche Auswirkungen der Verordnung auf den Handel mit Kryptowährungen: "Zunächst einmal müsste bei Krypto-Transfers in Deutschland zwischen regulierten Kryptoverwahrern neben der Transaktion auf der Blockchain ein vollständig neues Parallelsystem entwickelt werden", erklärt Grigo.

Das heißt für die Marktteilnehmer hier: Sie müssten neue Reporting-Standards entwickeln, sich auf diese einigen, Schnittstellen zum Austausch dieser Daten bauen und letztlich diese Daten auch für geraume Zeit speichern – "auch wenn das der Blockchain-Technologie eigentlich komplett zuwiderläuft", wie der Solarisbank-Manager meint.

Neue Standards brauchen Zeit

"Weil der Vorschlag zudem ein deutscher Alleingang ist, wird der Datentransfer mit nicht-deutschen Verwahrern daran scheitern, dass man im Ausland eben nicht diesen Standard verwendet – also die erforderlichen Daten gar nicht erhebt und auch nicht mitsendet", sagt Grigo.

Das betreffe schon Transfers innerhalb der EU, denn auch hier werde die Anforderungen an die Datenübermittlung der Financial Action Task Force (FATF) noch nicht oder auf jeden Fall nicht so umgesetzt, wie jetzt vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagen. Die KryptoTransferV soll nämlich die sogenannte Travel Rule umsetzen, eine Initiative der FATF, um Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern.

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"Natürlich lassen sich die geforderten Standards entwickeln und vielleicht auch in der EU durchsetzen – aber die Erfahrung zeigt, dass so ein Prozess einige Jahre dauert – also deutlich länger als die Übergangsfristen, die das Bundesfinanzministerium vorsieht", sagt Grigo zu den Vorschlägen des Ministeriums.

Unhosted wallets

"Ein weiteres Praxisproblem ist die Frage, wie man mit sogenannten Unhosted Wallets umgeht, also dem Transfer zu oder von einer Geldbörse, die nicht von einem Dienstleister bereitgestellt wird beispielsweise einem USB-Stick mit spezieller Software", erklärt er weiter.

"Ein Kernaspekt der disruptiven Technologie ist es, dass jeder x-beliebige Nutzer, eigene Blockchain-Adressen erstellen kann – ganz ohne Intermediäre, egal ob reguliert oder nicht." Eine Identifizierung des Besitzers dieser Unhosted Wallets sei daher nur unter Umständen und unter Mitarbeit der Nutzer möglich.

Der Gesetzentwurf könne in seiner jetzigen Formulierung dazu führen, dass Kryptoverwahrer Transaktionen auf der Blockchain massiv einstellen müssen. "Damit würde ihnen ein enormes Innovationspotential entgehen", sagt Grigo. Und das, obwohl gerade erst Transaktionen auf der Blockchain "tolle use cases wie sein Krypto zu verleihen" möglich werden.

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Smart Contracts

Das vierte Problem für die Branche dürfte die Interaktion mit Smart Contracts sein, bei denen es laut Grigo unmöglich ist, Daten zu den Beteiligten zu erheben. "Das ist ganz besonders deshalb so dramatisch, weil rund um die Decentralized Finance-Anwendungen (DeFi) gerade ein hoch innovativer neuer Markt entsteht, der auch für Banken, Unternehmen, und Family Offices interessant ist. Hiervon wären deutsche Anbieter leider völlig abgeschnitten", befürchtet der Solarisbank-Manager.

Konkurrenznachteil deutsche Regulierung?

"Paradoxerweise kommt dieser Gesetzentwurf nachdem die Bundesregierung zum Beispiel durch die Einführung der Kryptoverwahrlizenz, durch ihre Blockchain-Strategie sowie das elektronische Wertpapiergesetz eigentlich sehr gute Schritte in Richtung Technologieneutralität und Rechtssicherheit gegangen sind", sagt Grigo.

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Gerade erst würden globale Finanzdienstleister wie Paypal und Revolut ihre "closed-garden-wallets", also solche digitalen Geldbörsen, die keine Transaktionen auf der Blockchain zulassen, sondern nur das Kaufen und wieder Verkaufen von Bitcoin, Ether und Co ermöglichen, öffnen. "Sie bieten also genau das an, was hier geradezu unmöglich gemacht wird", so Grigo.

Angesichts der wachsenden globalen und europäischen Konkurrenz sei der Gesetzentwurf sehr bedauerlich - zumal das BMF der deutschen Krypto-Szene nur eine äußerst kurze Frist zur Stellungnahme einräumte. Daher forderten sowohl Bitkom als auch die Deutsche Kreditwirtschaft bereits einen neuen Dialog zum Thema Kryptoreglierung ein.

"Es gibt aber noch Grund zur Hoffnung, denn das BMF hat ganz klar Offenheit zum Austausch mit Experten aus der Szene signalisiert", weiß Grigo. "Das wollen, nein das müssen wir unbedingt nutzen, denn hier steht die Innovationskraft der deutschen Krypto-Szene auf dem Spiel."

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