EZB hält trotz abflauender Inflation eisern an Leitzins auf Rekordniveau fest

Der Leitzins bleibt damit weiter bei 4,50 Prozent, wie der EZB-Rat mitteilte. Es ist die vierte Zinssitzung ohne Änderung.
EZB-Gebäude in Frankfurt | Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
EZB-Gebäude in Frankfurt | Foto: picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt
reuters

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich mit der Zinswende trotz rückläufiger Inflation noch Zeit. Die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde entschieden am Donnerstag auf ihrer Sitzung in Frankfurt, den Leitzins bei 4,50 Prozent zu belassen. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Horten überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, bleibt weiter auf dem Rekordniveau von 4,00 Prozent. ”Die zukünftigen Beschlüsse des EZB-Rats werden dafür sorgen, dass die Leitzinsen so lange wie erforderlich auf ein ausreichend restriktives Niveau festgelegt werden”, erklärten die Euro-Wächter.

Seit vier Sitzungen konstant

Nach einer Serie von zehn Zinsanhebungen, die im Sommer 2022 startete, hält die EZB seit nunmehr vier Sitzungen die Zinsen konstant. Denn die Inflation in der Euro-Zone ist inzwischen deutlich abgeebbt und lag zuletzt im Februar noch bei 2,6 Prozent, nach 2,8 Prozent im Januar. Das ist nicht mehr weit entfernt von der Zielmarke von 2,00 Prozent, die die EZB mittelfristig als optimales Niveau für die 20-Länder-Gemeinschaft anstrebt.

Lagarde hatte erst kürzlich gesagt, die Auswirkungen der vergangenen Schocks, die die Teuerung hochgetrieben hätten, würden verblassen. Und die straffen Finanzierungsbedingungen trügen dazu bei, die Teuerung zu drücken. Allerdings verwies die EZB-Chefin auch auf einen anhaltend starken Lohndruck. Noch ausstehende Daten zu den diesjährigen Tarifabschlüssen in den Euro-Ländern gelten für die Währungshüter als wichtiger Faktor für eine Entscheidung, wann die EZB ihren restriktiven Kurs aufgeben und erste Zinssenkungen einleiten sollte. Denn es besteht nach wie vor die Sorge, dass ein zu kräftiges Lohnwachstum die Inflation erneut anfachen könnte.

Alle rechnen mit Senkung im Juni

Insider hatten zuletzt gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass die EZB bereits vor ihrer Zinssitzung im Juni die Zinsen erstmals wieder senken werde. Am Finanzmarkt haben inzwischen die Spekulationen auf rasche Zinssenkungen etwas nachgelassen, nachdem sie um die Jahreswende herum noch ins Kraut geschossen waren. Zuletzt wurde dort die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung bereits im April nur noch mit 18 Prozent eingestuft - im Januar war sie zeitweise noch auf 75 Prozent taxiert worden. Investoren richten inzwischen verstärkt den Blick auf die Jahresmitte. Am Geldmarkt gilt es derzeit als sehr wahrscheinlich, dass die Zinssenkung im Juni kommt. Für die Sitzung im Juli ist eine Senkung sogar fast vollständig in den Kursen enthalten.

Stimmen zum Entscheid:

JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK CHEFÖKONOM:

”EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat heute einen weiteren vorsichtigen Schritt in Richtung einer ersten Zinssenkung gemacht. Sie brachte den Juni als möglichen Zeitpunkt ins Spiel, hielt sich mit Blick auf das Tempo künftiger Zinssenkungen aber bedeckt. Lagarde sagte, dass die EZB auf der April-Sitzung ’etwas mehr’ und im Juni ’deutlich mehr’ Daten hätte, um zu entscheiden, ob das Inflationsproblem langfristig gelöst sei. Wir rechnen weiter mit einem ersten Zinsschritt im Juni, erwarten aber insbesondere für 2025 weniger Zinssenkungen als die Terminmärkte, weil das Inflationsproblem noch lange nicht gelöst ist.”

THOMAS GITZEL, CHEFÖKONOM VP BANK:

”Die EZB hat keinen Grund zum Handeln. Noch sind die Inflationsgefahren nicht gebannt. Die EZB klang zurückhaltend, eine klare Botschaft geht weder aus dem Pressetext noch aus den Aussagen von EZB-Chefin Christine Lagarde hervor. In Frankfurt wird man weiter abwarten. Das heißt aber wiederum, dass zeitnah keine Zinssenkung zu erwarten ist. Es ist jedoch nicht die Frage, ob die EZB die Zinsen senkt, sondern wann sie damit anfängt. Die Eurozone ist wirtschaftlich angeschlagen. Vor einer raschen Zinssenkung schrecken die Währungshüter noch zurück. Der Inflationsschock der vergangenen zwei Jahre sitzt tief. Solange nicht klar ist, dass die Inflation nachhaltig tief bleibt, wird die EZB keine Zinssenkung vollstrecken. Eine Zinssenkung dürfte deshalb erst zur Jahresmitte auf der Agenda stehen. Darauf deuten auch Aussagen von Christine Lagarde hin, die betonte, dass man im Juni mehr Informationen habe. Dies lässt darauf schließen, dass die EZB dann möglicherweise zum Handeln bereit ist.”

MICHAEL HOLSTEIN, CHEFVOLKSWIRT DZ BANK:

”Wie erwartet, hat die EZB an ihren Zinssätzen heute nichts verändert. Spannender waren die neuen Projektionen der Notenbank. Die Inflationsraten sieht die Währungsbehörde für 2025 und 2026 wieder im Zielbereich von rund zwei Prozent. Gleichzeitig betont sie, dass der heimische Preisdruck hoch bleibt, vor allem aufgrund kräftig steigender Löhne. Daraus folgt, dass die EZB noch einige Monate im Wait-and-see-Modus bleiben wird und weitere Daten, etwa zur Lohnentwicklung, abwarten will. Die Gefahr, die Zinsschraube zu früh zu lockern und dann wieder umkehren zu müssen, ist noch gegeben. Vor Juni ist deshalb nicht mit der ersten Zinssenkung zu rechnen. Bis dahin nimmt der Druck auf die EZB wegen der schwachen Konjunktur allerdings weiter zu. Viel länger werden sich die Notenbanker der mauen Konjunktur nicht mehr entziehen können.”

FRIEDRICH HEINEMANN, ZEW INSTITUT:

”Mit dem überraschend deutlichen Rückgang der Euro-Inflation und den schlechten Konjunkturdaten wächst die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung in der Juni-Sitzung. Vorbedingung dafür ist, dass sich auch die Kerninflation der Zwei-Prozent-Marke noch deutlicher nähert. Diese um Energie- und Lebensmittel bereinigte Inflation liegt im Februar immer noch bei gut drei Prozent. Niedrigere Zinsen würden nicht nur den Finanzministern bei der Finanzierung ihrer umfangreichen Anleiheemissionen helfen. Auch für die Zentralbanken selbst schaffen niedrige Zinsen Entlastung. Die hohen Verluste bei Bundesbank und EZB sind die Folgen hoch verzinster Einlagen der Banken und niedrig verzinster Bestände bei den Staatsanleihen. Fallende Leitzinsen würden die Verluste begrenzen. All das dürfte mit für eine wachsende Unterstützung im EZB-Rat für den Beginn eines neuen Zinssenkungszyklus sorgen.”

ULRICH KATER, CHEFÖKONOM DEKABANK:

”Insgesamt ist die Inflationsbekämpfung im Euroraum auf einem guten Weg. Dieser Weg ist jedoch noch nicht beendet. Die Europäische Zentralbank kann sich nicht mit einer ’beinahe’-Erreichung ihrer Inflationszielmarke von zwei Prozent zufriedengeben. Zinssenkungen ab Juni bleiben weiterhin wahrscheinlich, aber das Tempo könnte langsamer und vorsichtiger sein, als sich dies viele Marktteilnehmer wünschen.”

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