Für Fabio Panetta ist der Traum von Satoshi Nakamoto schon geplatzt

Bei einer Rede in New York geht der EZB-Direktor hart mit ”Krypto-Evangelisten” ins Gericht: Kryptowährungen sind für ihn Schnellballsysteme - die entsprechend streng reguliert werden müssen, um das Anschwellen einer Blase zu verhindern.
Fabio Panetta | Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Valerio Portelli
Fabio Panetta | Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Valerio Portelli

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Fabio Panetta kritisch zu Krypto-Assets und Stablecoins äußert. Doch bei einer Rede an der Columbia University in New York fand er besonders deutliche Worte, als er über den ”digitalen Goldrausch” unserer Zeit sprach: Dem Boom der Kryptowährungen.

”Satoshi Nakamoto - oder vielmehr die Softwareentwickler, die dieses Pseudonym verwendeten - schufen den Quellcode dessen, was sie für dezentralisiertes digitales Geld hielten”, erinnert Panetta. Ihr Weißbuch von 2008 habe aber lediglich die große Faszination für Technologie, jedoch kein tiefgreifendes Verständnis für Zahlungs- und Geldfragen offen gelegt. Seitdem versprächen ”Krypto-Evangelisten” den Himmel auf Erden, indem sie ein illusorisches Narrativ von ständig steigenden Krypto-Anlagepreisen nährten, um die Zuflüsse, die die Krypto-Blase antreibt, aufrechtzuerhalten.

Für Panetta ist das alles mehr Schein als Sein. ”Satoshi Nakamotos Traum von der Schaffung eines vertrauenswürdigen Geldes bleibt genau das - ein Traum”, meint Panetta. Und outet sich dann noch als GoT-Fan: ”Um Littlefinger aus Game of Thrones zu zitieren: ´Chaos ist eine Leiter´”, sagt der EZB-Direktor in New York.

Es brauche nur einige wenige, die auf dieser Leiter nach oben kletterten, um viele andere davon zu überzeugen, dass sie den Anschluss verpassen. Mit ganz realen Auswirkungen: So sei der Kryptomarkt heute größer als der Markt für Subprime-Hypotheken, der mit einem Volumen von 1,3 Billionen US-Dollar die weltweite Finanzkrise auslöste, erinnert Panetta sein Publikum.

Lobbyarbeit verlangsamt die Regulierung

Ähnlich wie damals gebe es keine angemessenen Kontrollen, Krypto-Assets trieben Spekulation an, indem sie schnelle und hohe Renditen versprechen und Regulierungslücken ausnutzen, die die Anleger ungeschützt lassen. ”Begrenztes Risikoverständnis, Angst, etwas zu verpassen, und intensive Lobbyarbeit bei den Gesetzgebern treiben die Risiken in die Höhe und verlangsamen die Regulierung”, warnt der EZB-Direktor.

Vor allem Großanleger trieben die Lobbybemühungen an: Schließlich sei nur ein Zehntel des Bitcoin-Angebots in der Hand von Kleinanlegern, die weniger als zehn Bitcoins besitzen, während professionelle Anleger und vermögende Privatpersonen fast zwei Drittel halten.

”In den Vereinigten Staaten beispielsweise gaben Kryptounternehmen allein in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 rund fünf Millionen US-Dollar für Lobbyarbeit im Senat aus”, kritisiert Panetta.

Man dürfe jetzt nicht alte Fehler wiederholen und warten, bis die Blase platze. ”Jetzt ist es an der Zeit, dafür zu sorgen, dass Krypto-Assets nur innerhalb klarer, regulierter Grenzen und für Zwecke verwendet werden, die einen Mehrwert für die Gesellschaft darstellen. Und es ist an der Zeit, dass die politischen Entscheidungsträger auf die wachsende Nachfrage der Menschen nach digitalen Vermögenswerten und einer digitalen Währung reagieren, indem sie staatliches Geld für das digitale Zeitalter fit machen.”

Bitcoin & Co: Volatil, risikobehaftet und ein Umweltrisiko

Panetta legt den Finger auf die Schwächen von Bitcoin & Co, die über keine Einlagensicherung verfügten und oft reine Spekulationsobjekte seien.

Krypto-Vermögenswerte, die auf Proof-of-Work-Blockchains (PoW) basieren, seien zudem Umweltverschmutzer. Einen Mehrwert für das Zahlungssystem schafften sie nicht. ”Ungedeckte Krypto-Assets können ihr ursprüngliches Ziel, Zahlungen zu erleichtern, nicht erfüllen. Sie sind einfach zu unbeständig, um die drei Funktionen von Geld zu erfüllen: Tauschmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Rechnungseinheit”, sagt Panetta.

Auch ihre Verwendung bei kriminellen Aktivitäten und die hohe Volatilität der Preise sind dem EZB-Direktor ein Dorn im Auge. ”All dies deutet auf eine unsolide zugrunde liegende Marktdynamik hin”, so sein Resumé. Nicht zuletzt stellten Krypto-Assets eine Bedrohung für die Finanzmarktstabilität dar.

Ihren derzeitigen Wert beziehen die Krypto-Assets aus seiner Sicht derzeit ”hauptsächlich aus der Gier” und der Hoffnung, dass das System ungehindert weiterläuft. ”Wie bei einem Ponzi-Scheme (Schneeballsystem) kann eine solche Dynamik nur so lange anhalten, wie eine wachsende Zahl von Anlegern glaubt, dass die Preise weiter steigen werden und dass es einen Fiat-Wert geben kann, der nicht durch einen Einkommensstrom oder eine Garantie gedeckt ist. Bis der Enthusiasmus verfliegt und die Blase platzt.”

Strengere Regulierung

Gegen dieses Schreckensbild setzt Panetta die Forderungen nach einer Regulierung mit risikobasiertem Ansatz. So müssten für Krypto-Vermögenswerte dieselben Standards gelten wie für das übrige Finanzsystem. ”Dies bedeutet, dass alle Vorschriften zur Verhinderung der Nutzung von Krypto-Assets für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf der Grundlage der von der Financial Action Task Force (FATF) festgelegten Standards rasch umgesetzt und wirksam durchgesetzt werden müssen.”

Besonders genau müssten die Regulierer bei ungedeckten und bei solchen Krypto-Assets hinschauen, die ohne einen Intermediär ihren Besitzer wechseln. Zudem spricht sich der EZB-Direktor für die Idee aus, den Energieverbrauch von Krypto-Assets zu besteuern, die auf Verifizierungsprozessen beruhten.

Die EU arbeitet derzeit an strengeren Regeln für Krypto-Währungen und Transaktionen auf der Blockchain, unter anderem in der ”Regulation of Markets in Crypto-Assets“ (MiCA) und der ”Transfer of Funds Regulation“. Zuletzt gab es dort viel Wirbel um die geplanten Verschärfungen für die sogenannten Unhosted Wallets, die Transaktionen ohne Intermediäre wie Börsen oder Kryptowerte-Dienstleister ermöglichen - und wohl das sind, was Satoshi Nakamotos Traum am nächsten kommt. Der Digitalverband Bitkom warnt in diesem Zusammenhang vor bürokratischen Belastungen der jungen Krypto-Branche.

Bitkom warnt vor zu strenger Regulierung von Unhosted Wallets

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Doch auch die Zentralbanken müssten sich nun mehr bewegen, meint Panetta und sich ”noch stärker für die digitale Innovation engagieren, indem sie die Finanzinfrastrukturen für Großkunden ausbauen, schnelle Massenzahlungssysteme betreiben und die Ausgabe von digitalen Zentralbankwährungen vorbereiten”. Die EZB sei in diesen Fragen Vorreiterin.

Derzeit ist die Handhabung der Krypto-Assets bei den Zentralbanken noch sehr unterschiedlich. Während etwa China den Handel mit Kryptowährungen verboten hat und stattdessen die Einführung seines eigenen digitalen Zentralbankgeldes forciert, buhlen andere Regionen um die Gunst der Krypto-Industrie. El Salvador hat den Bitcoin im September 2021 sogar als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt.

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