Ein deutscher Analytiker hat bei Goldman Sachs Karriere gemacht

FinanzBusiness Profil: Jan Hatzius hat es als einer der wenigen Deutschen bei der berühmtesten Investmentbank der Welt nach ganz oben geschafft. Seine Wurzeln hat er allerdings nicht vergessen - vor allem der Mauerfall prägte ihn als jungen Erwachsenen für seine berufliche Laufbahn.
Jan Hatzius, Chefvolkswirt bei Goldman Sachs. | Foto: Goldman Sachs
Jan Hatzius, Chefvolkswirt bei Goldman Sachs. | Foto: Goldman Sachs

Wenn der Chefvolkswirt von Goldman Sachs im amerikanischen Business-TV Interviews gibt, ist seine Herkunft sprachlich unschwer zu erkennen. Der deutsche Akzent verleiht ihm eine gewisse Aura der Tugenden, die man Deutschen gern zuschreibt: Verlässlichkeit, Gründlichkeit, Rationalität.

Das überrascht kaum, denn diese Attribute sind für den Job von Jan Hatzius unerlässlich. Dass er nun in das 32-köpfige oberste Führungskomitee der Investmentbank berufen wurde, zeigt, dass nicht nur der typische Karrierebanker aus dem M&A oder Trading an die Spitze solch hoch kompetitiver Unternehmen gelangt. Wie CEO David Solomon es formulierte, trägt Goldman mit der Berufung von Hatzius der integralen Rolle des Research-Bereichs für den Erfolg des Hauses Rechnung.

Goldman Sachs beruft seinen Chefökonomen in das globale Management-Komitee 

Die Position des globalen Chefvolkswirts hat er seit 2011 inne. Seit Jahren belegt er die Position als weltweit führender Ökonom im jährlichen Institutional Investor Global Fixed-Income Research Team, speziell in den Kategorien "Global" und "US". Er ist Mitglied der Beratungsgremien der Federal Reserve Bank of Chicago und des Congressional Budget Office und gilt als einer der einflussreichsten Wall-Street-Ökonomen.

Kritische Position zur Euro-Austeritätspolitik

In einem Interview von 2015 mit dem "Handelsblatt" sprach er sich für den Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus und kritisierte gleichzeitig den verordneten Sparkurs für die Krisenländer. "Auf jeden Fall war das Ausmaß der fiskalischen Restriktionen zu hoch. Und zwar nicht nur in Griechenland, sondern generell war die Fiskalpolitik in den vergangenen Jahren zu restriktiv, was einer der Gründe für die stagnierende Wirtschaftsentwicklung in Europa war", sagte er der Zeitung.

Gertrud Traud, Chefvolkswirtin der Helaba, kennt Hatzius nur flüchtig, traf ihn einmal im Jahr 2007 auf einem Symposium im Ruhrgebiet. "Ich habe ihn als sehr angenehm und kompetent erlebt. Ich freue mich über seinen Aufstieg und wünsche ihm alles Gute", sagt sie zu FinanzBusiness.

Mit seinem Erscheinungsbild erinnert er ein wenig an den "Notenbanker-Look" des ehemaligen Bundesbank-Präsidenten Jens Weidmann. Hatzius trägt eine ähnliche Brille, hat einen ähnlichen Haarschnitt - kurz und rotblond schimmernd -, und strahlt dieselbe analytische Besonnenheit aus, die auch Weidmann Respekt eingebracht hat.

Analytiker mit Sinn für die Kunst

In einem Gespräch mit seinem CEO, das auf Youtube unter dem Titel "Catch-Up With David" vor rund drei Jahren ausgestrahlt wurde, berichtet Hatzius von seiner Jugend, und der Zuschauer kann ein wenig hinter die professionelle Fassade blicken. "Ich war immer sehr interessiert an Geschichte und Politik. Rückblickend war ich etwas frustriert über meine Schulbildung und den Mangel an ernsthaften analytischen Werkzeugen. Als ich an die Universität kam war es daher eine aufschlussreichende Erfahrung als ich meine Lesung im Fach Volkswirtschaft besuchte. In Deutschland hatte ich in der Schule kein solches Fach. An diesem Punkt habe ich erst verstanden, dass es eine Wissenschaft ist", erzählt Hatzius.

Gleichzeitig seien die Prognosen von Volkswirten für ihn manchmal eher Kunst statt Wissenschaft, oder zumindest beides zu gleichen Teilen, wie er lächelnd und mit balancierender Handgeste im gläsernen Gebäude, vor dem Panorama Manhattans, zu bedenken gibt.

Mauerfall als prägendes Ereignis für den Beruf

Der im damaligen Westdeutschland geborene Hatzius geht im Gespräch auch auf das historische Ereignis des Mauerfalls ein - er war damals 20 Jahre alt. Für ihn habe dabei herausgestochen, "wie überraschend es war, dass niemand es wirklich vorausgesagt hatte". Zwei Jahre zuvor hätten viele Menschen noch erwartet, dass die Mauer weitere 50 oder gar 100 Jahre bestehen werde. Für Hatzius sei dieser Umstand ein gutes Beispiel dafür, wie sehr Analysten bei ihren Prognosen die eigenen Annahmen, Sichtweisen und Denkmuster immer wieder hinterfragen sollten.

Der 53-Jährige spricht sich für offene Diskussionen aus, die Analysten für makroökonomische Prognosen führen sollten. Doch Hatzius und sein Team treffen auch Vorhersagen zu Fußballspielen bei Weltmeisterschaften - damit hätten sie aber nach wie vor Schwierigkeiten, sagt er mit einem Lächeln. Er ist bei allem Erfolg wohl bodenständig genug geblieben um zu verstehen, dass selbst bei den gründlichsten Analysen auch immer das Element Zufall eine große Rolle spielt.

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