Goldman Sachs nimmt Beschwerden über extreme Arbeitsbelastung "sehr ernst"

Auch die deutsche Niederlassung der US-Investmentbank Goldman Sachs nimmt die öffentlich gewordenen Vorwürfe einiger Mitarbeiter der Investmentbanking-Sparte zur extrem hohen Arbeitsbelastung "sehr ernst", wie eine Sprecherin von Goldman Sachs auf Anfrage von FinanzBusiness bekräftigte.
Zuvor zirkulierte im Internet eine Powerpoint-Präsentation von 13 Analysten, die wohl in der New Yorker Goldman Sachs Niederlassung sitzen und im M&A-Geschäft tätig sind. Das berichtet die Financial Times, die das mutmaßliche Original-Dokument im Artikel verlinkt.
Aus Finanzkreisen erfuhr FinanzBusiness, dass das Dokument wohl bereits Anfang des Jahres erstellt wurde.
Wöchentliche Arbeitszeit liegt regelmäßig bei 98 Stunden
Darin beklagen die juniorigen Mitarbeiter eine gestiegene Arbeitsbelastung in der Corona-Pandemie durch die Kombination des Remote-Work-Modells mit einem erhöhten Arbeitspensum. Die Befragten gaben an, seit Januar durchschnittlich 98 Stunden in der Woche zu arbeiten. Bei sechs Arbeitstagen in der Woche, die im Investmentbanking üblich sind, entspricht das im Durchschnitt einer täglichen Arbeitszeit von über 16 Stunden.
Die Anschuldigungen richten sich vor allem an ihre direkten Vorgesetzten: In anonymen Zitaten schildern die Analysten, dass die Manager durch schlechtes Zeitmanagement und unmenschliches Verhalten wie verbale Erniedrigung ihre psychische wie mentale Gesundheit gefährdeten. "Mein Körper schmerzt die ganze Zeit und mental bin ich an einem wirklich dunklen Ort", schreibt ein anonymer Analyst.
"Uns ist bewusst, dass unsere Mitarbeiter sehr beschäftigt sind, weil das Geschäft sehr aktiv ist und die Volumina auf einem historisch hohen Niveau liegen. Mehr als ein Jahr nach dem Beginn der Covid-Pandemie sind die Menschen verständlicherweise stark gefordert. Daher nehmen wir diese Punkte sehr ernst und unternehmen mehrere Schritte, um sie anzugehen", heißt es in einem offiziellen Statement von Goldman Sachs.
Skandalfälle lassen strukturelles Problem aufkochen
Die Arbeitskultur im Investmentbanking der sogenannten "Bulge Brackets" - der führenden Investmentbanken der Welt, zu denen auch Goldman Sachs zählt - gilt traditionell als extrem anspruchsvoll. Als 2013 ein deutscher Analyst starb, der nach seinem Studienabschluss in Deutschland als Analyst bei der Bank of America in London arbeitete, flammte die Diskussion um die als "unmenschlich" bezeichneten Arbeitsbedingungen im Investmentbanking der führenden Geldhäuser erneut auf.
Zu den häufigsten Kritikpunkten zählt eine dauerhafte Wochenarbeitszeit von durchschnittlich mehr als 80 Stunden, wie es regelmäßig in einem amerikanischen Investmentbanking-Onlineforum beschrieben wird. Vor Kurzem veröffentlichte der britische TV-Sender BBC eine fiktive Serie namens "Industry", die den Arbeitsalltag junger Investmentbanker darstellen soll und von zwei ehemaligen Analysten produziert wird.
Als M&A-Berater muss man eigentlich immer erreichbar sein, sagt Christian Saxenhammer
Ähnliche Belastung im Frankfurter Büro nicht bekannt
Ob und in welchem Ausmaß die extreme Arbeitsbelastung auch für die Mitarbeiter des Frankfurter Büros von Goldman Sachs gilt, und ob dort ähnliche Beschwerden intern laut wurden, ließ die Sprecherin auf Nachfrage von FinanzBusiness offen.
Goldman Sachs führt bereits seit einigen Jahren die Regelung, dass Samstag offiziell ein freier Tag ist. CEO David Solomon hatte vergangene Woche die Bedeutung der "protected Saturdays" hervorgehoben, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete.
Mitarbeiter wechseln Arbeitsbereiche zur Entlastung
Die Investmentbank nutze zusätzlich die Möglichkeit, Banker aus anderen Bereichen in Abteilungen einzusetzen, wo das Aktivitätsniveau am höchsten ist, erfuhr FinanzBusiness aus Finanzkreisen. Des Weiteren verfolge die Bank neue Geschäftsmöglichkeiten selektiv, um die Arbeitsbelastung mit den Teamressourcen in Einklang zu bringen.
Durch Investition in digitale Workflow-Plattformen sowie Prozessverbesserungen, um bestimmte Aufgaben für Junioren zu automatisieren, werde zusätzlich Entlastung geschaffen.
Andere U.S.-Banken ziehen nach
Auch die amerikanische Großbank Citigroup reagierte auf die Vorwürfe, die eine deutliche Aufruhr in der gesamten Branche nach sich ziehen, wie Bloomberg schreibt. CEO Jane Fraser verbiete demnach interne Videoanrufe an Freitagen und fordert die Mitarbeiter auf, Urlaub zu nehmen.
Die US-Investmentbank Jefferies kündigte laut Bericht vergangene Woche an, ihre jüngsten Mitarbeiter mit Fitnessangeboten zu belohnen, darunter mit Peloton-Fahrrädern.
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