EZB-Kritiker Kerber erwägt Klage gegen neues Notenbank-Kriseninstrument

Momentan laufen nach Worten des Juristen Verhandlungen mit Mandanten. Im Kern geht es seiner Meinung nach lediglich um den Schutz Italiens. Die Wettbewerbsziele der EU werden damit verletzt.
Markus C. Kerber | Foto: TU Berlin
Markus C. Kerber | Foto: TU Berlin
reuters

Einer der bekanntesten Kritiker der EZB-Staatsanleihenkäufe erwägt, wegen des neuen Anleihen-Schutzschilds der Notenbank zur Stützung hoch verschuldeter Euro-Staaten vor Gericht zu ziehen.

”Das spreche ich momentan mit meinen Mandanten ab”, sagte der Berliner Jurist und Finanzwissenschaftler Markus Kerber, der bereits gegen frühere Staatsanleihen-Kaufprogramme der Europäischen Zentralbank (EZB) geklagt hatte, der Nachrichtenagentur Reuters. Die EZB überschreite mit ihrem TPI (Transmission Protection Instrument) genannten Werkzeug, die Grenzen ihres Mandats.

In Notfällen weiter Anleihenkauf geplant

Mit TPI will die EZB notfalls Anleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten erwerben, sollten diese am Anleihenmarkt ungerechtfertigt unter Druck geraten. Von den betroffenen Ländern fordert sie dabei unter anderem als Voraussetzung, dass diese die finanzpolitischen Vorgaben der EU beachten.

Aus Sicht von Kerber hat die EZB mit den potenziell unbeschränkten TPI-Käufen vor allem Italien im Blick, das inzwischen eine Staatsverschuldung von rund 150 Prozent der Wirtschaftsleistung aufweist. ”Es geht im Kern um Italien. Denn die Schuldensumme von Italien ist so gewaltig, dass weder der ESM noch jemand anderes das stemmen kann”, sagte der Finanzwissenschaftler.

Fall von monetärer Staatsfinanzierung

Mit solchen Käufen verstoße die EZB aber gegen das Verbot der monetären Staatsfinanzierung aus den EU-Verträgen. ”Da wird die EZB ganz offen zu einem Rückversicherer staatlicher Schuld”, so Kerber. ”Das ist ein krasser Fall von monetärer Staatsfinanzierung.”

Kerber zufolge geht die EZB mit TPI ein hohes Risiko ein, wenn sie das Programm tatsächlich in Kraft setzen sollte. ”Beim Verbot der Staatsfinanzierung handelt es sich um ein gesetzliches Verbot”, führte er aus. ”Wenn man gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nichtig, ist unwirksam.”

Der Finanzwissenschaftler gehört in Deutschland zu den schärfsten Kritikern der Staatsanleihen-Kaufprogramme der EZB. In den vergangenen Jahren war er einer der führenden Köpfe hinter den zahlreichen Verfassungsbeschwerden beim Bundesverfassungsgericht gegen die Käufe. In den meisten Fällen blieben die Klagen erfolglos.

Bislang vor Gericht erfolglos

Im Mai 2020 hatte das Gericht in seinem Urteil der EZB vorgehalten, die Verhältnismäßigkeit von Anleihenkäufen in ihrem Kaufprogramm PSPP nicht ausreichend begründet zu haben. Damit stellte sich Karlsruhe gegen ein früheres EuGH-Urteil. Auch gegen das Pandemie-Notfallkaufprogramm PEPP hatte Kerber in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingereicht.

Ein EZB-Sprecher erklärte auf Nachfrage, bei der Ausgestaltung des TPI sei besonders auf rechtliche Absicherung geachtet worden. Das Instrument sei zudem einstimmig im EZB-Rat beschlossen worden. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte sich unlängst in einem Zeitungsinterview zuversichtlich geäußert, dass das TPI, wenn es zu einem Verfahren käme, vor den Gerichten Bestand haben würde.

Die EZB hat das Programm an verschiedene Kriterien geknüpft, die Länder erfüllen müssen, um in den Genuss von TPI zu kommen. Dazu gehört unter anderem die Einhaltung des finanzpolitischen Regelwerks der EU und die Tragfähigkeit der Schulden.

Kerber zufolge setzt die EZB mit dem neuen Programm die Märkte außer Kraft, wenn sie entscheidet, ob bei einzelnen Ländern die Renditeabstände (Spreads) ihrer Staatsanleihen zu Bundesanleihen angemessen sind oder nicht. ”Wenn die EZB sagt, ein Zins-Spread von Italien zu Deutschland von mehr als zwei Prozent ist nicht gerechtfertigt, dann setzt sie sich an die Stelle der Märkte”, erläuterte Kerber. ”Woher will die EZB das wissen?”

Widerspruch zu EU-Zielen

Die Auffassung der Notenbank, dass solche Entwicklungen an den Märkten künstlich seien und nicht dem wahren Risiko entsprächen, widerspreche vollständig der ganzen Philosophie der EU. ”Denn die EU will ja Wettbewerb überall fördern.”

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