EZB steht vor historischer Zinswende

Heute entscheidet die Europäische Notenbank über die Erhöhung der Leitzinsen. Noch ist unklar, ob sie es bei einem Viertel-Prozentpunkt belassen wird - oder doch eine deutlichere Anhebung wagt.
EZB-Präsidentin Christine Lagard | Foto: picture alliance / dpa | Jim Lo Scalzo
EZB-Präsidentin Christine Lagard | Foto: picture alliance / dpa | Jim Lo Scalzo
Ulrike Barth mit Reuters

Die EZB steht nach mehr als einem Jahrzehnt mit einer lockeren Geldpolitik vor der Zinswende. An den Finanzmärkten wird gerätselt, ob es die Währungshüter im EZB-Rat heute (Donnerstag) bei einem Schritt nach oben um einen Viertel-Prozentpunkt belassen oder eine Anhebung um einem halben Punkt wagen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters von Insidern erfuhr, sollen beide Optionen zur Sprache kommen.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte ursprünglich nur einen kleinen Schritt in Aussicht gestellt und erst für September eine womöglich kräftigere Erhöhung. Bankenverbände hatten auf diese Ankündigung mit Kritik reagiert, weil sie die geplante Anhebung um 25 Basispunkte für zu zögerlich hielten.

”Mit einem entschlosseneren Schritt um 50 Punkte wäre das leidige Thema der Negativzinsen endlich erledigt“, sagte etwa Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Auch der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Banken (BdB) Christian Ossig hatte von der EZB eine Leitzinserhöhung um 50 Basispunkte gefordert. ”Das fundamental geänderte Preisumfeld rechtfertigt einen negativen Leitzins bis in den Herbst hinein nicht mehr, sagte er.

EZB erwägt wohl größeren Zinsschritt

”Jetzt ist nicht die Zeit für zögerliche Trippelschritte”, sagt Helmut Schleweis

Die Zinswende gilt als historische Zäsur: Zuletzt hatte die EZB 2011 den Preis des Geldes verteuert. Ihre Entscheidung will die Notenbank am Nachmittag verkünden, erstmals zur neuen Uhrzeit um 14.15 Uhr.

Unter den führenden Notenbanken ist die EZB in puncto Zinswende ein Nachzügler. In den USA hat die Federal Reserve schon viel früher auf den anhaltenden Inflationsschub mit Zinserhöhungen reagiert. Die EZB hält dagegen ihren Schlüsselsatz noch auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Zudem müssen Banken eine Art Strafgebühr zahlen, wenn sie bei der Notenbank überschüssiges Geld parken. Dieser sogenannte Einlagensatz liegt bei minus 0,5 Prozent.

Rekordinflation erhöht den Druck

Die EZB gerät durch die Rekordinflation im Euroraum jedoch nun unter Zugzwang, an der Zinsschraube zu drehen. Angetrieben von immer teurerer Energie im Zuge des Ukraine-Kriegs stiegen die Verbraucherpreise zuletzt um 8,6 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) verfehlt damit ihr Inflationsziel sehr deutlich. Sie strebt zwei Prozent als optimalen Wert für die Wirtschaft an.

Zugleich zeichnet sich Insidern zufolge eine Einigung auf ein kontrovers diskutiertes EZB-Programm ab, mit dem hoch verschuldete Staaten wie Italien bei Turbulenzen am Anleihenmarkt gestützt werden könnten. Voraussetzung dafür, dass einem Land mit diesem neuen Instrument geholfen wird, soll demnach sein, dass es sich an Vorgaben der EU-Kommission mit Blick auf Reformen und Haushaltsdisziplin hält.

Die Renditen für Staatsanleihen der Euro-Länder waren im Zuge der erwarteten Zinswende der EZB stark gestiegen. Besonders kräftig legten die Renditen hoch verschuldeter Euro-Staaten wie Italien zu. Das bedeutet höhere Finanzierungskosten für diese Länder.

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