Bundesbankpräsident spricht sich für weitere kräftige Zinserhöhungen aus

Joachim Nagel rechnet mit hoher Inflation auch im nächsten Jahr. Vorwürfe, die EZB unterstütze mit ihrer Geldpolitik auch rechtspopulistische Regierungen, weist er zurück.
Bundesbankpräsident Joachim Nagel rechnet nicht mit einer Insolvenzwelle. | Foto: Bundesbank / Nils Thies
Bundesbankpräsident Joachim Nagel rechnet nicht mit einer Insolvenzwelle. | Foto: Bundesbank / Nils Thies
Markus Lachmann mit dpa, Reuters

Bundesbankpräsident Joachim Nagel ist für weitere kräftige Leitzinserhöhungen in der Eurozone. ”Wenn es zehn Prozent Inflation, aber nur 1,25 Prozent Zinsen gibt, dann ist für mich der Handlungsbedarf klar. Ja, die Zinsen müssen weiter steigen - und zwar deutlich”, sagte er der ”Süddeutschen Zeitung”.

Nagel, der im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) sitzt und dort über Leitzinsveränderungen mit entscheidet, rechnet für Deutschland auch im nächsten Jahr mit hoher Inflation. ”Für 2023 hat der EZB-Stab für den Euroraum 5,5 Prozent Inflation prognostiziert. In Deutschland halte ich eine sechs vor dem Komma für realistisch”, sagte er.

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Die Inflation sei zunächst zum guten Teil von außen getrieben, sagte Nagel. Aber sie betreffe mittlerweile einen großen Teil des Warenkorbs. ”Wir müssen daher hartnäckiger sein als die Inflation und entschlossen handeln”, führte er aus. ”Wir werden verhindern, dass sich diese hohe Inflation verfestigt.” Dafür brauche es ausreichend starke und schnelle Reaktionen. ”Von den nächsten Sitzungen des EZB-Rats müssen deutliche Signale ausgehen”, forderte er.

Es gebe einen Energiepreisschock, an dessen Wirkung die Notenbank kurzfristig nicht viel ändern könne. Die Geldpolitik könne aber verhindern, dass er überspringe und sich breit verfestige. ”Damit knacken wir die Inflationsdynamik und bringen die Preisentwicklung auf unser mittelfristiges Ziel. Dafür haben wir die Instrumente, insbesondere Zinserhöhungen.”

Der Bundesbankchef wies zurück, dass die hohe Inflation die Reputation der Institution beschädigt haben könnte: ”Ich sehe nicht, dass das Vertrauen in die Bundesbank verloren gegangen ist, auch nicht das in die EZB.” Nagel betonte, die Notenbanker nähmen die Sorgen der Menschen sehr ernst. ”Unser Auftrag ist Preisstabilität und deshalb werden wir geldpolitisch reagieren, damit die Inflation wieder sinkt. Wir werden das schaffen.”

Auf die Frage, ob die EZB mit ihrer Geldpolitik hoch verschuldete Staaten wie Italien und am Ende auch rechtspopulistische Regierungen stütze, sagte Nagel: ”Es geht hier nicht um meine politischen Präferenzen. Unser Ziel ist Preisstabilität, und etwaige Auswirkungen unserer Maßnahmen auf Regierungen dürfen dabei keine Rolle spielen. Aber mir ist etwas anderes wichtig: Die Fiskalregeln in der EU sind aktuell ausgesetzt, eine Reformdiskussion ist im Gange. Wir brauchen künftig wieder stringente und glaubwürdige Fiskalregeln in Europa. Das setzt den Rahmen für alle Regierungen, ob in Italien oder Deutschland.”

Nagel rechnet nicht mit Insolvenzwelle

Nagel forderte die europäischen Notenbanken auf, nicht nur über höhere Zinsen nachzudenken, sondern auch darüber, ihre Bestände an Staatsanleihen zurückzufahren. ”Wir müssen unsere Geldpolitik robust umsetzen. Auf Sicht muss das Eurosystem auch seine Anleihebestände zurückfahren”, so der Bundesbankpräsident.

Zu den Wirtschaftsaussichten Deutschlands sagte Nagel: ”Wir werden wohl zeitweise eine Rezession sehen und damit auch höhere Insolvenzzahlen, aber eine Insolvenzwelle erwarte ich aus heutiger Sicht nicht.”

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