Tarifbeschäftigten droht 2022 reales Lohnminus von 3,6 Prozent

Wie aus einer Studie des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts hervorgeht, werden die vereinbarten Tariferhöhungen von durchschnittlich 2,9 Prozent durch die hohen Inflationsraten zunichte gemacht.
Stempel mit der Aufschrift "Inflation" (Symbolbild) | Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
Stempel mit der Aufschrift "Inflation" (Symbolbild) | Foto: picture alliance / CHROMORANGE | Michael Bihlmayer
carolin kassella mit reuters

Die bislang vereinbarten Tariferhöhungen gleichen den starken Inflationsanstieg in diesem Jahr wohl bei weitem nicht aus. Nach den bisher vorliegenden Abschlüssen dürften die Tariflöhne 2022 durchschnittlich um 2,9 Prozent wachsen, wie aus der Untersuchung vom Tarifarchiv des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht.

Nach Abzug der erwarteten Inflationsrate sinken sie demnach real jedoch um 3,6 Prozent. ”Nachdem die Tariflöhne in den 2010er Jahren real relativ deutlich zugenommen haben, drohen 2022 für viele Beschäftigte im zweiten Jahr in Folge Reallohnverluste”, sagte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Die Studie berücksichtigt alle im ersten Halbjahr abgeschlossenen und die in den Vorjahren für 2022 bereits vereinbarten Tariferhöhungen.

In diesem Jahr Tarifeinigungen bei Banken

Bei Kreditinstituten gab es dieses Jahr eine Reihe von Tarifverhandlungen. Im Juli hatten sich etwa die deutschen Genossenschaftsbanken geeinigt. Dort bekommen die Mitarbeiter im Oktober dieses Jahres eine sozial gestaffelte Einmalzahlung. Diese beträgt für die unteren drei Tarifgruppen 1.000 Euro, für die mittleren drei 900 Euro und für die oberen drei 800 Euro. Die Gehälter steigen um 3,2 Prozent im Januar 2023 und um weitere 2,0 Prozent im Januar 2024.

Tarifeinigung bei den Genossenschaftsbanken

Auch bei den öffentlichen Banken gab es dieses Jahr eine Einigung, die aufgrund des Abschlussdatums in die Erhebung eingeflossen ist. 2022 wird eine Corona-Sonderzahlung in Höhe von 750 Euro ausgeschüttet. Hinzu kommt eine weitere Einmalzahlung über 300 Euro sowie eine Gehaltsanpassung um 3,0 Prozent zum 1. Juli 2022.

Nach langen Verhandlungen: Einigung im Tarifstreit der öffentlichen Banken

Schulten: Lohn-Preis-Spirale ist ”Fata Morgana”

”Angesichts der vollkommen ungewissen Entwicklung des Ukraine-Krieges und seiner wirtschaftlichen Folgen ist die Tarifpolitik allein in vielen Branchen überfordert, die Kaufkraftverluste der Beschäftigten auszugleichen”, sagte Schulten. ”Hier sind zusätzliche Entlastungsmaßnahmen durch den Staat notwendig.”

Zugleich kritisiert er die Maßhalteappelle an die Gewerkschaften. ”Ein nüchterner Blick auf die Tarifdaten zeigt: Die vielbeschworene Lohn-Preis-Spirale ist eine Fata Morgana.” Ganz im Gegenteil: Es bestehe die Gefahr, dass Reallohnverluste die private Nachfrage weiter schwächen und damit die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich beschädigen.

Vereinzelt Branchen mit Reallohnanstieg

Allerdings gibt es den Angaben zufolge auch einige Tarifbranchen, in denen gegen den Trend nicht nur die Preisentwicklung ausgeglichen wird, sondern darüber hinaus auch Reallohnzuwächse zu beobachten sind. Hierzu gehörten vor allem einige klassische Niedriglohnbranchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, das Gebäudereinigungshandwerk oder die Leiharbeit. Grund ist, dass dort in Tarifabschlüssen der vergangenen Monate vor allem für die unteren Lohngruppen oft zweistellige Steigerungen vereinbart wurden.

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