Bei Wechsel ganzer Teams im Investmentbanking hilft nur ein Kronzeuge

Der Abgang mehrerer Mitarbeiter von M&A-Abteilungen bei Banken oder Beratungshäusern zu Wettbewerbern ist in der Branche nach wie vor geläufig - meist eingeleitet durch den Wechsel eines ranghohen Kollegen. Thomas Winzer, Partner bei Gleiss Lutz, ordnet die Rechtslage zum Abwerbeverbot für FinanzBusiness ein.
Thomas Winzer, Leiter der Fachgebietsgruppe Arbeitsrecht bei Gleiss Lutz. | Foto: Gleiss Lutz
Thomas Winzer, Leiter der Fachgebietsgruppe Arbeitsrecht bei Gleiss Lutz. | Foto: Gleiss Lutz

Investmentbanking ist Wettbewerb. Wer sich für dieses Berufsfeld entscheidet, befindet sich in einem äußerst kompetitiven Umfeld, in dem das Ringen um Talente üblich ist. Immer wieder erfolgt die Abwanderung ganzer Teams von einem Haus zu Wettbewerbern, oftmals eingeleitet vom Arbeitgeberwechsel eines ranghohen Mitarbeiters.

Dazu haben Banken im angelsächsischen Raum seit jeher gewisse Klauseln implementiert, um das Abwerben ehemaliger Kollegen zumindest für einen gewissen Zeitraum zu untersagen. Doch wie verhält es sich hierzulande? FinanzBusiness hat die aktuelle Rechtslage in Deutschland eingefangen.

Der schlagartige Abgang mehrerer Mitarbeiter - sowohl von Führungskräften wie Directors oder Managing Directors als auch von Analysten und Associates - betrifft sowohl die sogenannten "Bulge Brackets", wozu etwa JP Morgan oder Goldman Sachs zählen, wie auch bankenunabhängige Boutiquen verschiedener Größenordnung. So wechselte erst in diesem Jahr ein ganzer Schwung an Associates und Analysten von der Middle-market-Beratung Alantra zu GCA Altium, oder von der Berliner M&A-Plattform Carl zu Saxenhammer - dort folgten auf den neuen Managing Director Felix Engelhardt noch ein Projektmanager und bisher drei Analysten.

Saxenhammer gewinnt weiteren Manager für das M&A-Team 

In Deutschland ist die Rechtslage zum Abwerbungsverbot eindeutig, sagt Thomas Winzer, Partner und Leiter der Fachgebietsgruppe Arbeitsrecht bei der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz: "Mitarbeiter dürfen nicht in Wettbewerb mit dem Arbeitgeber um Talente treten, dürfen also keine Kollegen vom alten Arbeitgeber abwerben, solange sie im Arbeitsverhältnis mit einer bestimmten Bank oder allgemein einem Unternehmen stehen. Solange der Arbeitsvertrag läuft - das gilt auch für den gardening leave - darf ich das als Mitarbeiter grundsätzlich nicht machen." Mit "gardening leave" wird eine Phase der Freistellung beim alten Arbeitgeber im Branchenjargon umschrieben.

Nach Ende des Arbeitsvertrags ist Abwerben möglich

Für die Zeit nach dem Vertrag, also wenn der Mitarbeiter etwa zum 30.6. gekündigt hat, darf er ab dem 1.7. aber grundsätzlich abwerben - es sei denn, er hat eine Klausel im Vertrag stehen, die nach Beendigung des Vertrags gilt, führt Winzer weiter aus.

Diese Mitarbeiterschutzklauseln, das heißt ein Verbot Mitarbeiter nach Vertragsende abzuwerben, sehe man gelegentlich. "Die maximale Dauer sind meist zwei Jahre, häufig auch nur ein Jahr. Zum Teil wird argumentiert, dafür müsse eine zusätzliche finanzielle Kompensation geleistet werden. Das ist aber umstritten. Aus meiner Sicht ist das regelmäßig nicht nötig. Hier stellt sich aber das Nachweisproblem", ergänzt er.

Häufig sind daher zeitgleiche oder nur um wenige Wochen versetzte Wechsel von Teams zu beobachten. "In der Praxis beobachtet man häufig, dass der Wechsel eines ganzen Teams beziehungsweise mehrerer Mitarbeiter vorbereitet wird: dann wird inoffiziell mit Kollegen und dem Team gesprochen. Rein rechtlich darf der scheidende Mitarbeiter das nicht, es ist aber extrem schwierig, das nachzuweisen - da muss man sich schon ungeschickt anstellen oder ein Mitglied des Teams muss alles auf den Tisch legen", sagt Arbeitsrechtler Winzer.

In diesem Fall zieht der alte Arbeitgeber dann meist den Kürzeren - er kann einzig versuchen, jemanden zu halten und ihn als Kronzeugen zu gewinnen, der dann die Abwerbungsversuche belegt, so Winzer.

Auch nach der Kündigung empfiehlt es sich, fair zu bleiben

Der erwähnte gardening leave, also die Freistellung in der Zeit von Einreichen der Kündigung bis Ende des Arbeitsvertrags, sei nach wie vor üblich - gerade bei Mitarbeitern mit Zugang zu sensiblen Informationen oder Kontakten, sagt Winzer: "Regelmäßig werden die Betroffenen für den Lauf der Kündigungsfrist freigestellt. Diese ist in Deutschland meist drei bis sechs Monate (oft zum Ende des Quartals)."

Als Mitarbeiter ist man grundsätzlich verpflichtet, bis zum letzten Tag der Kündigungsfrist zu arbeiten. Es ist dann die Entscheidung des Unternehmens, ob es den scheidenden Mitarbeiter in den gardening leave schickt.

Doch der Rechtsanwalt mahnt zur Vorsicht auf Seiten des alten Arbeitgebers, dem scheidenden Mitarbeiter auch bei Verdacht auf interne Abwerbungsgesuche keine Retourkutsche zu verpassen. "Wenn man als Arbeitgeber noch versucht, den Mitarbeiter bis zum letzten Tag im Unternehmen zu halten und ihm das Leben schwer zu machen, bringt das auch viel Unruhe in die Organisation. Der frühere Client Coverage Managing Director im Back-Office macht dann Probleme mit der Kultur - da sollte man sich überlegen, ob so ein Vorgehen dem Unternehmen langfristig gut tut und wie es auf andere Mitarbeiter abstrahlt."

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