Ein akribischer Strippenzieher unterbricht seinen Ruhestand

FinanzBusiness Profil: Helmut Gottschalk bewies schon bei der Fusion der DZ Bank mit der WGZ Bank sein Geschick als gut vernetzter Vermittler zwischen Interessengruppen. Das dürfte ihm nun auch als Aufseher bei der Commerzbank helfen.
Helmut Gottschalk, ehemaliger DZ-Bank-Aufsichtsratsvorsitzender und bald Aufsichtsratschef der Commerzbank | Foto: DZ Bank AG
Helmut Gottschalk, ehemaliger DZ-Bank-Aufsichtsratsvorsitzender und bald Aufsichtsratschef der Commerzbank | Foto: DZ Bank AG

Eigentlich hatte Helmut Gottschalk für seinen Ruhestand andere Pläne, als Aufsichtsratschef einer börsenotierten, kriselnden Großbank zu werden: "Joggen, Skat kloppen, wandern, reisen, sich um die Enkel kümmern, Zeit haben" - das waren die Pläne, die der 69-Jährige 2017 der Stuttgarter Zeitung verriet.

In dem Interview, das Gottschalk anlässlich seines Abschieds als Vorstandssprecher der Volksbank Herrenberg-Nagold-Rottenburg am Neckar führte, spricht der nun designierte Aufsichtsratschef der Commerzbank auch über seinen Glauben. So habe der bekennende Protestant nach der Fusion der Volksbanken Herrenberg und Rottenburg begonnen, den Bischofssitz Rottenburg zu besuchen - und festgestellt, dass ihn "der Kontakt zum Katholizismus sehr bereichert hat."

Vermittler und Strippenzieher

Das Vermitteln zwischen mehreren Interessengruppen, das Verständnis für die Belange des anderen - genau diese Eigenschaft zeichnete Helmut Gottschalk auch in seiner langjährigen Arbeit als Aufsichtsratschef der DZ Bank aus.

Und es ist wohl der Charakterzug, weswegen ihn der Aufsichtsrat der Commerzbank als passende Führungsperson ansieht. Für ein Gremium, bei dem die Vorstellungen von Kapital- und Arbeitnehmerseite häufig weit auseinander stehen. Bei einer Geschäftsbank, die mitten in der Umstrukturierung steckt und entsprechend voraussichtlich noch einige Hürden zu nehmen hat, nicht zuletzt beim Abbau von 10.000 Vollzeitstellen.

Ein begnadeter Strippenzieher sei Gottschalk, so ein Berater zum Handelsblatt. Kaum jemand sei besser vernetzt im Bankensektor. Gottschalk soll die Anliegen großer und kleiner Institute kennen, trotz großer Unterschiede.

"Er hat uns schon gut vertreten", zitiert das Handelsblatt einen Vorstand einer kleinen Genossenschaftsbank.

Architekt einer Großbankenfusion

Eigenschaften, die auch dazu beitrugen, dass Gottschalk zum Architekten der ersten Großbankenfusion machten, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) und der European Banking Autority (EBA) genehmigt wurde, seitdem diese 2014 die Aufsicht über die wichtigsten Kreditinstitute der Euro-Zone übernommen hatten.

Denn 2016 gelang es ihm und dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Kirsch, die DZ Bank mit dem Düsseldorfer Schwesterinstitut WGZ Bank zu fusionieren. Zuvor waren insgesamt vier Anläufe für einen Zusammenschluss der Institute gescheitert, umso rekordverdächtiger war damals das Tempo der Fusion. Von dem erneuten Versuch wussten nur wenige Eingeweihte, berichtete das Handelsblatt.

Fusion in Rekordgeschwindigkeit

Im November 2015 hatten die damaligen Vorstandschefs Wolfgang Kirsch und Hans-Bernd Wolberg sowie die Aufsichtsratschefs Gottschalk und Werner Böhnke die Absichtserklärung für einen Zusammenschluss unterzeichnet, im August 2016 war die Fusion perfekt.

"Die Geschwindigkeit ist eine Besonderheit der Fusion", sagte im Sommer 2016 ein Beteiligter dem Handelsblatt.

Einer der Versuche sieben Jahr zuvor scheiterte am Widerstand der WGZ-Eigner. 2016 stimmten sie hingegen dann mit fast 100 Prozent dafür. Ihre Sorge, an Einfluss zu verlieren, konnte wohl beschwichtigt werden. Und die Lage der angeschlagenen DZ Bank, die den WGZ-Eignern zuvor Sorgen bereitete, hatte sich 2016 längst verbessert.

Sanierung ohne Staatshilfen

Auch das ist ein Verdienst, der Gottschalk zum Teil zugeschrieben werden kann. Als er das Amt des DZ-Bank-Aufsichtsratsvorsitzenden 2010 übernahm, befand sich das Zentralinstitut der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken in Schwierigkeiten. In der Finanzkrise 2008 ist die DZ Bank durch fragwürdige Wertpapier-Investments und Eskapaden im Ausland in Schieflage geraten.

Gottschalk sorgte gemeinsam mit dem Vorstandsvorsitzenden Kirsch dafür, dass die DZ Bank sich verkleinerte - insbesondere ihr Auslandsgeschäft. Stattdessen richtete sie sich stärker auf die Belange ihrer genossenschaftlichen Schwesterinstitute und damit ihre Eigentümer aus. Anders als die Commerzbank konnte die DZ Bank so ohne Staatshilfen saniert werden.

Akribisch und kritisch

Schon als einfaches Aufsichtsratsmitglied der DZ Bank in den Jahren vor 2010 hatte sich Gottschalk den Ruf erworben, akribisch und kritisch zu sein. Er sei "kein stets lachender Hans-Dampf in allen Gassen", zitiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ehemalige Weggefährten. Stattdessen sei er "pietätisch streng, sehr fleißig und wisse Bankbilanzen unabhängig von ihrer Größe zu lesen und die Risiken darin zu erkennen."

Sein langjähriger Weggefährte Kirsch, der selbst im Sommer von Jutta Dönges, Aufsichtsrätin des Commerzbank-Großaktionär Bund, als Aufsichtsratsvorsitzender der Commerzbank vorgeschlagen wurde, hat nur lobende Worte für Gottschalk übrig.

"Helmut Gottschalk ist zielstrebig und entscheidungsstark, verfügt über profunde Kenntnisse des Privatkundengeschäfts, kann Risiken einschätzen und wird den von Herrn Knof eingeschlagenen Gesundungskurs ohne Wenn und Aber unterstützen. Er hat das Kapitänspatent", sagt Kirsch der FAZ.

Träger des Bundesverdienstkreuzes

Für Gottschalk ist die Commerzbank die erste Station seines Lebenslaufs bei einer Privatbank. Seine Ausbildung absolvierte er in Baden-Württemberg bei der Sparkasse Calw, dann folgte ein berufsbegleitendes Studium. Danach arbeitete er in der Landesgirokasse Stuttgart, die heute zur LBBW gehört, und wurde dort schließlich Leiter des Vorstandssekretariats.

Von 1982 bis 2017 war er erst Vorstandsmitglied, dann ab 1997 Vorstandssprecher der früheren Volksbank Herrenberg. Für sein Wirken im genossenschaftlichen Bereich erhielt Gottschalk 2019 das Bundesverdienstkreuz. 2018 schied er aufgrund der satzungsgemäßen Altersgrenze aus dem Aufsichtsrat der DZ Bank aus.

Ein schwieriger Job

Nun soll Gottschalk auf der Hauptversammlung der Commerzbank den Aktionären vorgeschlagen werden und als Aufsichtsratschef Nachfolger von Hans-Jörg Vetter werden, der sein Amt aus gesundheitlichen Gründen niederlegte.

Gottschalk unterbricht seinen Ruhestand für einen wenig erholsamen Job. Die Commerzbank hat vergangenes Jahr den höchsten Jahresverlust seit der Krise 2009 verzeichnet und steckt mitten in der Sanierung.

Unterschiedlichere Interessengruppen als bei der DZ Bank

Zwar ist die DZ Bank als nach Bilanzsumme zweitgrößtes Kreditinstitut in Deutschland mit der Fondsgesellschaft Union Investment und der R+V Versicherung ein komplexes Finanzinstitut. Doch Eigentümer der Commerzbank - etwa der Bund und der Investor Cerberus - sind in ihren Interessen unterschiedlicher als die Genossenschaftsbanken, also die Eigentümer der DZ Bank. Auch der Abbau von 10.000 Stellen, den die Commerzbank plant, wird eine Herausforderung werden. Gottschalks Geschicke als Vermittler und Schlichter werden gefragt sein.

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