MiFID II nervt Kunden und Berater

Knapp drei Jahre nach dem Start der Finanzmarktrichtlinie zweifeln Banken daran, dass die umfangreichen Dokumentationspflichten den Kunden tatsächlich nutzen. Auch die Kunden selbst sind nicht zufrieden.
Symbolbild | Foto: picture alliance / dpa Themendienst
Symbolbild | Foto: picture alliance / dpa Themendienst
Von Julia Groth

Die Kreditwirtschaft klagt seit Jahren über eine zu umfangreiche Regulierung. Verbraucherschützer halten dagegen und betonen, dass strikte Regeln lediglich die Kunden schützen sollen. Im Fall von MiFID II scheint es nun so, als seien sich Banken und Kunden einig: Das war nichts – der Aufwand enorm, der Nutzen fragwürdig. Knapp drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie sehen Kreditinstitute ihre Befürchtungen in Bezug auf MiFID II weitgehend bestätigt.

Aus Verbrauchersicht sei die Finanzmarktrichtlinie zwar sinnvoll, um schwarze Schafe herauszufiltern, sagt Thomas Nerlinger, Leiter des Bereichs Private Banking bei der Hamburger Privatbank Donner & Reuschel. "Die klassischen Privatanleger gehören aber sicher nicht zu den Gewinnern von MiFID II."

Viele Banken hatten rund zwei Jahre Vorlaufzeit angesetzt, um den Anforderungen der Richtlinie pünktlich zum Start im Januar 2018 gerecht werden zu können. So auch die Aktiengesellschaft Donner & Reuschel. Rückblickend ist man dort froh, so viel Zeit eingeplant zu haben.

Die Umsetzung von MiFID II habe viel Kapital und Personal gebunden, berichtet Nerlinger. "Das hatten wir im Vorfeld kalkuliert. Die Kalkulationen der Bundesregierung und auch unsere eigene Kostenkalkulation wurden allerdings deutlich übertroffen", sagt er.

Aufwand hoch, Angebot runter

Wie befürchtet ist der bürokratische Aufwand durch die Richtlinie massiv gestiegen. "In der Beratung fallen dadurch unglaubliche Mengen an Papier an", kritisiert Nerlinger. "Auch der Zeitaufwand ist deutlich höher als früher. In der Folge ist die Wertpapierberatung für viele Banken aus Kosten-Nutzen-Sicht kaum noch attraktiv, vor allem im Retail-Bereich."

Seit Inkrafttreten von MiFID II haben mehrere Institute die Wertpapierberatung an den Nagel gehängt – zu aufwändig. Andere haben ihre Angebotspalette verkleinert und beratungsintensive Produkte aufgegeben. Bei Donner & Reuschel setzt man mittlerweile stärker auf Vermögensverwaltungsmandate, um den administrativen Aufwand im Rahmen zu halten.

Gestörtes Vertrauensverhältnis

Nicht nur Banken, sondern auch viele Anleger klagen über die Papierflut, die MiFID II ins Rollen gebracht hat. Teils sogar mehr als das: "Viele Kunden lehnen die Veränderungen durch MiFID II in Gänze ab, da die Gespräche häufig nicht mehr auf einer persönlichen und vertrauensvollen Basis stattfinden können", sagt Thomas Kleffmann, Leiter des Bereichs Private Banking bei der Düsseldorfer Niederlassung der Privatbank Hauck & Aufhäuser AG.

Durch die regulatorischen Anforderungen seien viele Prozesse standardisiert, die Zeit für die originäre Beratung zusammengeschnurrt. "Auch die Telefonaufzeichnung für Beratungsgespräche wirkt auf viele Kunden befremdlich", sagt Kleffmann.

Ein Alptraum für Kreditinstitute

Umfragen bestätigen, dass Verbraucher keine Fans der Finanzmarktrichtlinie sind. "Sie ist ein Ärgernis für die Kunden, ein Alptraum für Kreditinstitute und Berater und erweist dem Anlegerschutz und der Wertpapierkultur in Deutschland einen Bärendienst", so lautet das vernichtende Fazit einer Studie im Auftrag der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) aus dem vergangenen Jahr. Kunden fühlten sich angesichts der Informationsfülle überfordert und durch die Informationspflichten gegängelt.

Eine Studie der BaFin zeichnet ein ähnliches Bild. Demnach schaut nicht einmal jeder zweite Beratungskunde auf den Ex-ante-Kostenausweis. Zwei von fünf Befragten hätten wiederum gern die Möglichkeit, auf die Geeignetheitserklärung zu verzichten. Jeder Zweite wünscht sich sogar die Option, das Aufzeichnen von Telefonberatungen abzuwählen. Und rund ein Drittel der Umfrageteilnehmer befürchtet, dass MiFID II den Wertpapierkauf deutlich aufwendiger macht.

Weniger ist mehr

Das vorgeschriebene Mehr an Daten und Informationen führt nicht unbedingt dazu, dass Kunden zufriedener sind und sich besser aufgeklärt fühlen, stellt auch Tom Engel fest, Bereichsleiter Investmentprodukte bei der Targobank. "Im Gegenteil: Manche Kunden fühlen sich von dieser Informationsflut regelrecht erschlagen", sagt er.

Insbesondere auf Einsteiger ins Investmentgeschäft wirkten die zahlreichen obligatorischen Papiere mitunter abschreckend. "Auch bei der Abgabe von Wertpapierorders im Telefonbanking werden die umfangreichen Pflichtinformationen von vielen Kunden als störend empfunden", sagt Engel.

Genervte Kunden, überarbeitete Bankberater: So hatte sich die Europäische Union die Harmonisierung ihrer Finanzmärkte vermutlich nicht vorgestellt.

Jetzt teilen

Zum Newsletter anmelden

Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen Ihrer Branche.

Newsletter-Bedingungen

Die jüngsten FinanzBusiness-Artikel

Die GLS Bank ist bislang die einzige Bank, die Debitkarten aus Holz standardmäßig ausgibt. | Foto: GLS Bank

Zweifel an Nachhaltigkeit der neuen Genossen-Holzkarte

Für Abonnenten

Lesen Sie auch