Aus sechs mach drei - Der Schwund im Bundesbank-Vorstand
Dem Bundesbank-Vorstand droht zum Jahreswechsel eine radikale Schrumpfkur: Das Führungsgremium würde dann mit der Hälfe der regulären Personalstärke ins Jahr 2024 starten. Der Grund: Die Politik lässt die Notenbank bei der Nachbesetzung von Vakanzen bislang im Regen stehen.
Sollten die Bundesregierung und die Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen, die das Vorschlagsrecht haben, nicht zügig Kandidaten benennen, müssten Bundesbank-Präsident Joachim Nagel und die beiden verbleibenden weiteren Vorstände Sabine Mauderer und Burkhard Balz zentrale Zuständigkeiten zusätzlich schultern. Wie ”Platow” berichtete, soll Burkhard Balz ab Januar interimsweise die Bankenaufsicht übernehmen - für die ausgeschiedene Claudia Buch. Alexandra Hachmeister soll einen neuen Zentralbereich digitaler Euro leiten.
Nagel mahnte Politik zur Eile
Nagel hatte die Politik bereits vor Monaten zur Eile gemahnt. Nach dem Bundesbank-Gesetz besteht der Vorstand aus sechs Mitgliedern.
Doch schon seit Jahresbeginn, nachdem Johannes Beermann Ende 2022 regulär ausgeschieden war, operiert das Gremium mit lediglich fünf Vorständen. Die Untätigkeit der Politik bei dieser Personalie sorgt bereits für Unmut im Apparat der Notenbank mit ihren - Stand Ende 2022 - mehr als 10.000 Vollzeitbeschäftigten: Dies grenze schon an Missachtung der Bundesbank, ist von einem Mitarbeiter zu hören, der anonym bleiben will.
Hessen tauschte Vorschlagsrecht mit NRW
Die scheidende schwarz-grüne Regierungskoalition in Hessen konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Vorschlag für die Nachbesetzung einigen. Überdies verlässt Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling zum Jahresende das Führungsgremium. Ihn zieht es an die Berliner Wirtschaftshochschule ESMT. Das Vorschlagrecht für seine Nachbesetzung liegt beim Land NRW. Hessen und NRW hatten vor einigen Monaten vereinbart, ihr Vorschlagsrecht zu tauschen.
Aber aus NRW ist bislang noch kein Kandidat benannt worden. Ein Sprecher der schwarz-grünen Landesregierung in Düsseldorf sagte dazu: ”Es gibt hierzu keinen neuen Sachstand. Nordrhein-Westfalen wird rechtzeitig von seinem Vorschlagsrecht Gebrauch machen.”
In Hessen sagte ein Regierungssprecher, der Tausch des Vorschlagrechts mit NRW habe weiterhin Bestand. Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) hat sich nach der gewonnenen Landtagswahl mit der SPD über die Bildung einer Koalitionsregierung verständigt. Inzwischen einigten sich CDU und SPD auf einen Koalitionsvertrag.
Hessen könnte Ex-Finanzstaatssekretär ins Rennen schicken
Zur Wiederbesetzung der Bundesbank-Stelle sagte eine mit der Situation vertraute Person, es solle so rasch wie möglich eine Lösung gefunden werden. Zuletzt war von einem Insider zu hören, die CDU in Hessen könnte den ehemaligen parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Michael Meister, ins Rennen schicken. Die Nominierung dürfte auf den 62-jährigen Finanzexperten hinauslaufen, bestätigte ein weiterer Insider.
Darüber hinaus wird Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch zum Jahresende aus dem Vorstand ausscheiden und die Spitzenposition der EZB-Bankenaufsicht übernehmen. Das Vorschlagsrecht für diese Position liegt bei der Bundesregierung, wobei das Finanzministerium den Hut aufhat. Das Ministerium wollte sich auf Anfrage nicht zu Personalien äußern. Ein Regierungsvertreter sagte Reuters, es werde noch gesucht. Noch sei unklar, wann die Buch-Nachfolge verkündet werden könne. ”Vakanzen im Vorstand sollten in der Tat auf ein Minimum begrenzt werden”, so der Regierungsvertreter.
Fritzi Köhler-Geib gilt als Favoritin
Als mögliche Kandidaten wurden in den Medien zuletzt KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger genannt. Köhler-Geib, die in ihrer Vita auf 20 Jahre Erfahrung bei der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und im Finanzsektor verweisen kann, sei Favoritin bei der Besetzung des Vorstandspostens, hatte ein Insider unlängst gesagt.
Gegen die FDP-Politikerin Stark-Watzinger spreche, dass es gegenwärtig wie Fahnenflucht aussehen würde, wenn sie aus der Bundesregierung ausscheiden würde. Auch der Name des Mannheimer Wirtschaftsprofessors Klaus Adam wurde unter den möglichen Kandidaten genannt.
Zuständigkeiten müssten neu verteilt werden
Sollte es bis zum Jahresende bei allen drei Vakanzen keine Lösung geben, müssten mehrere zentrale Aufgaben im Bundesbank-Führungsgremium neu verteilt werden. Unter anderem müsste geklärt werden, wer dann zusätzlich die wichtigen Zuständigkeiten für die Bankenaufsicht sowie für die Finanzstabilität übernimmt - zwei Schlüsselaufgaben der Notenbank. Auch die Zuständigkeit für die Informationstechnologie muss neu bestimmt werden. Die Bundesbank hatte sich unter anderem auf die Fahnen geschrieben, die Digitalisierung innerhalb der Notenbank voranzutreiben.