Gutachter sieht Angeklagten in Wirecard-Prozess als schuldfähig an
Im Strafprozess um die Pleite des Finanzkonzerns Wirecard sehen Gutachter keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Schuldfähigkeit des Angeklagten Stephan von Erffa. Der frühere Chefbuchhalter sei ”psychopathologisch eine unauffällige Persönlichkeit”, sagte der Psychiater Norbert Nedopil in der Gerichtsverhandlung am Montag in München. Die Voraussetzungen für die Anwendung der Strafrechtsparagraphen zur verminderten Schuldfähigkeit oder gar Schuldunfähigkeit lägen aus psychiatrischer Sicht nicht vor.
Gleich drei Gutachter am Werk
Auf Wunsch von Erffas Verteidigern hatte das Gericht drei Gutachter beauftragt, Erffa zu untersuchen. Sie sollten feststellen, ob er an einer autistischen Störung leidet und deswegen nur eingeschränkt oder gar nicht schuldfähig ist. ”Es ergaben sich keine hinreichenden Hinweise auf eine Autismus-Spektrum-Störung”, sagte der Psychologe Maximilian Wertz. Erffa habe einen Intelligenzquotienten (IQ) von 110 und liege damit ”im oberen Normbereich”.
Ex-Wirecard-Bankchef belastet Braun: Gesetz ”nicht so von Bedeutung”
Der frühere Wirecard-Chefbuchhalter Erffa sitzt neben Ex-Konzernchef Markus Braun und dem ehemaligen Wirecard-Statthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft sieht das Trio als Bande an, die Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Untreue und Betrug begangen habe. Der Dax-Konzern Wirecard war 2020 zusammengebrochen, als aufflog, dass auf Treuhandkonten in Asien 1,9 Milliarden Euro fehlten. Es handelt sich um einen der größten Finanzskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Anklage stützt sich unter anderem auf Angaben von Bellenhaus. Braun und Erffas Verteidiger haben die Vorwürfe zurückgewiesen.
Es drohen Freiheitsstrafen
Den Angeklagten drohen Freiheitsstrafen von bis zu 15 Jahren. Einen schuldunfähigen Angeklagten müsste das Gericht freisprechen, bei einer verminderten Schuldfähigkeit würde es eine mögliche Strafe reduzieren. Auch bei einem Geständnis kann ein Angeklagter auf ein milderes Urteil hoffen, falls er schuldig gesprochen wird. Auch darüber denken Erffa und seine Verteidiger nach, wie Vorsitzende Richter Markus Födisch bereits früher mitgeteilt hatte. Erffa könne bei einem Geständnis zu einer Freiheitsstrafe zwischen zwei und acht Jahren verurteilt werden. Eine Bewährungsstrafe für Erffa sei allerdings jetzt ”völlig illusorisch.”