Serie zur Bundestagswahl: So bewerten Politiker die Herausforderungen für den Bankensektor
Die sechs finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen nehmen auf Anfrage von FinanzBusiness Stellung zu aktuellen Fragen der Branche angesichts der Coronakrise und Niedrigszinsumfeld.
Nach der Finanzkrise 2008 musste die Bundesregierung einige Banken stützen: Heute steht der Sektor – auch nach dem jüngsten EZB Stresstest – recht solide da.
Aber wie stark ist Deutschlands Bankenlandschaft angesichts der Coronakrise und neuer Herausforderungen? Und was kann die Politik tun, um den Sektor zu stützen? Danach haben wir die finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen gefragt.
Für Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, war die Corona-Krise der erste reale Stresstest für die regulatorischen Maßnahmen, die nach der Finanzkrise zur Stabilisierung des Finanzsystems eingeführt wurden. "Das dürfen wir bei aller berechtigter Sorge mit Blick auf die Zukunft durchaus als vorsichtiges Zwischenfazit positiv feststellen", sagt die CDU-Politikerin.
"Für die Bankenregulierung der kommenden Jahre werden aus meiner Sicht die folgenden drei Aspekte bestimmend sein: Risikovorsorge, Nachhaltigkeit und Digitalisierung."
Für Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion steht die Branche unter anderem auch aufgrund des steigenden globalen Wettbewerbs zunehmend unter Druck.
"Auf dem Bankensektor werden sich die Trends zu mehr globalem Wettbewerb, einer beschleunigten Digitalisierung und zu mehr Nachhaltigkeit fortsetzen", sagt Binding. Das seien Herausforderungen und Chancen zugleich. "Der Konkurrenzdruck amerikanischer und asiatischer Banken wird zunehmen. Darauf sollte mit einer Vertiefung der europäischen Bankenunion reagiert werden", meint Binding.
Bankenunion soll vollendet werden
Auch für Tillmann liegt die Lösung in der Bankenunion. Um dabei voranzukommen, müssten Barrieren für die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen weiter abgebaut werden.
"Hier ist der erste Schritt, bei der Risikoreduktion konsequent weiterzumachen und auch mit Blick auf die Corona-Krise klare Zielvorgaben für den Abbau notleidender Kredite zu formulieren. Auch bei der Durchbrechung des Staaten-Banken-Nexus durch eine Risikobepreisung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen müssen wir Fortschritte erzielen", sagt sie.
Beide verbinden zudem den Trend zur Nachhaltigkeit in der Bankenbranche mit der Forderung nach mehr Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. "Die Politik muss gute Rahmenbedingungen schaffen, damit der Bankensektor sich auf diese Trends einstellen kann. Dies bedeutet vor allem, dass die europäische Bankenunion vorangetrieben werden muss." sagt SPD-Politiker Binding.
Um Deutschland zum führenden Finanzstandort, insbesondere für nachhaltige Produkte auszubauen, sei es richtig, wenn Klima- und Umweltrisiken noch besser in den EU-Aufsichtsrahmen integriert werden, meint Antje Tillmann. "Wir sind überzeugt, dass mit der Setzung eines verlässlichen ordnungspolitischen Rahmens eine Finanzmarktdynamik hin zu mehr Klimaschutz möglich ist."
Chancen und Risiken der Digitalisierung
Tillmann und Binding sind sich auch einig, wenn es um die Digitalisierung als Treiber der Bankenbranche geht.
"Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit müssen unsere Institute den bereits eingeschlagenen Weg in Richtung stärkerer Digitalisierung und vollständiger Integration von Nachhaltigkeit in alle Prozesse konsequent weitergehen. Dies werden aus meiner Sicht die Faktoren sein, die über den Erfolg in der Zukunft entscheiden", sagt Antje Tillmann.
SPD-Politiker Binding sieht die Digitalisierung als Chance zur Steigerung der Effizienz der Bankprozesse, warnt allerdings auch vor den hohen Kosten, die sie im Finanzsektor verursacht. "Für die Digitalisierung muss ein rechtssicherer Rahmen einschließlich wirksamer Datenschutzstandards bereitgestellt werden. Durch eine strenge Regulierung muss die Transparenz neuer Anlagebereiche gesichert und die Risiken für die Investoren beherrschbar gemacht werden. Es darf keine Regulierungslücken bei neuen Finanzprodukten geben." sagt der SPD-Politiker.
Zankapfel Niedrigzins
Zum Dauerthema Niedrigzinsumfeld gehen die Meinungen unter den finanzpolitischen Sprechern weit auseinander.
"Die Coronakrise und das Zinsumfeld stellen einen Doppelangriff auf die Banken dar", sagt Florian Toncar, finanzpolitischer der FDP-Bundestagsfraktion.
Dass die jüngsten Zahlen zeigen, wie solide der Sektor noch ist, spreche zwar für die Erfolge in der Risikoreduzierung der vergangenen Jahre. "Zahleiche Institute jedweder Größe leiden allerdings unter Schwierigkeiten bei der Profitabilität. Die Institute brauchen endlich wieder Luft zum Atmen. Selbstverständlich brauchen wir in Europa eine Normalisierung des Zinses", so Toncar.
Das werde der EZB umso eher möglich sein, je mehr die europäische Politik wieder stärker auf Reformen für dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit statt kurzfristiger schuldenfinanzierter Konjunkturprogramme setze. "Zusätzlich müssen wir beim Kostentreiber Bürokratie wieder zurückgehen, etwa bei MiFID", fordert der FDP-Politiker, der sich eineunabhängige Bestandsaufnahme und Neuordnung der europäischen Bankenregulierung wünscht. "Andere Regierungen haben schon längst gehandelt - in Deutschland muss das ab Herbst ebenfalls passieren."
Um Bürokratieabbau geht es auch Albrecht Glaser, finanzpolitischer Sprecher der AFD-Bundestagsfraktion. "Das dreigliedrige deutsche Bankensystem wurde im Ausland bewundert. Die gute regionale Kreditversorgung ist eine Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung unserer kreditorientierten Unternehmenslandschaft. Wir lehnen Schwächungen des dreigliedrigen Bankensystems durch Negativzinsen, Bürokratie und Markteingriffe ab. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, gewachsene und bewährte Strukturen ohne Not neu zu ordnen", sagt er.
Glaser sieht zudem generelleMängel im EZB Stresstest. "Darüber hinaus ist die Kreditqualität durch die Nullzins- und Geldmengenpolitik der EZB weiter reduziert, eine adäquate Bepreisung von Kreditrisiken findet nicht mehr statt", bemängelt der AfD-Politiker.
Für Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen liegt der Ausweg aus dem Niedrigzins-Dilemma woanders: "Um mittelfristig aus dem Bereich der Negativzinsen zu kommen, muss die Nachfrage nach Kapital erhöht werden. Mit unserer Investitionsoffensive, mit der wir die deutsche Infrastruktur auf den Stand der Zeit bringen und klimafit machen, tragen wir dazu bei", sagt sie.
SPD-Politiker Binding empfiehlt den Banken angesichts des steigenden Renditedrucks aufseiten von institutionellen Investoren, neue Bereiche zu erschließen. "Diese könnten etwa neue Investitionsmärkte wie Private Equity oder Kunst sein. Auch das Angebot qualitativ hochwertiger Verbriefungen könnte interessant sein", sagt Binding.
Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Bundestagsfraktion Die Linke hält den ständigen Verweis der Banken auf den Niedrigzins für überzogen. "Die Klagen über die Niedrigzinsen höre ich schon länger. Ich bin der Meinung, dass man die Bankgeschäfte, die wirklich notwendig sind, nach wie vor rentabel betreiben kann", sagt er.
Konzentration und Konsolidierung
Troost hält den Finanzsektor ohnehin für überdimensioniert. "Es geht daher nicht darum, ihn als Ganzes zu stützen, sondern um Strukturpolitik. Deutschland hat mit Sparkassen und Genossenschaftsbanken zwei solide Säulen, die für die breite Versorgung mit Finanzdienstleistungen enorm wichtig sind und unbedingt erhalten werden müssen", sagt Troost.
Dort seien die kleinteiligen Strukturen keine Schwäche, sondern eine Stärke. Darin pflichtet ihm Grünen-Politikerin Lisa Paus bei: Das System aus kleinen und mittleren regional verankerten Banken und Sparkassen habe sich bewährt. "Wir wollen deshalb die drei Säulen aus Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Banken erhalten."
Konsolidierungen bei privaten Großbanken sieht der Linken-Politiker unkritisch - solange bei Fusionen eine Größenkontrolle stattfinde. "Zu große Banken wollen wir aus Stabilitätsgesichtspunkten wie auch wegen der Konzentration von Macht nicht haben", sagt Troost.
Um den Vorteil der regionalen Institute - und deren Bedeutung für die Darseinsfürsorge im ländlichen Raum - zu erhalten, hält CDU-Politikerin Tillmann es für wichtig, die Kriterien der sogenannten "Small Banking Box" anzuwenden. "Kreditinstitute unterhalb einer Bilanzsumme von fünf Milliarden Euro müssen deshalb von Sonderregulierungen befreit bleiben", sagt sie.
Diskussion um das Zentralinstitut
"Bei den Landesbanken ist die Zeit längst vorbei, wo jedes Bundesland eine eigene Landesbank haben musste. Wenn die Konzentration hier weiter geht, halte ich das für sinnvoll", sagt der Linken-Politiker Troost zu aktuellen Diskussion um ein Zentralinstitut.
Ähnlich sieht das auch Grünen-Politikerin Lisa Paus: "Mit der Digitalisierung haben die Landesbanken viele ihrer traditionellen Aufgaben verloren", sagt Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen. "Der DSGV hat deshalb eine Konsolidierung der Landesbanken vorgeschlagen. Die EZB hält grenzüberschreitende Fusionen für wichtig, um die Konkurrenzfähigkeit und Integration des europäischen Finanzmarktes zu stärken. Sofern dadurch die Finanzstabilität (too-big-to-fail) nicht gefährdet wird, unterstützen wir solche geschäftspolitischen Entscheidungen", sagt Paus.
In der nächsten Folge der Serie, die am 13.09.2021 erscheint, geht es um: Green Finance.
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