Ökonomen blicken nach EZB-Entscheidung auf Euro-Dollar-Wechselkurs

Ökonomen loben überwiegend ruhige Hand. Eine weitere Euro-Aufwertung könnte die Währungshüter in Frankfurt gleichwohl mittelfristig eingreifen lasssen, so der Konsens.
Foto: picture alliance / Sven Simon
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DPA

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ihre ultralockere Geldpolitik bestätigt. Die Leitzinsen bleiben laut den am Donnerstag getroffenen Entscheidungen ebenso unverändert wie die billionenschweren Anleihekaufprogramme.

EZB bewertet Konjunkturaussichten nicht mehr ganz so pessimistisch
Die Notenbank bewertet die konjunkturellen Aussichten nicht mehr ganz so pessimistisch. Auf den jüngsten Anstieg des Eurokurses reagierte sie nicht. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte jedoch, dass man die Kursentwicklung genau beobachte. Sie sei wichtig für die mittelfristige Inflationsentwicklung.


Das sagen Ökonomen zu den Beschlüssen:

Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank

"EZB-Präsidentin Lagarde hat auf der heutigen Pressekonferenz auf die Euro-Stärke politisch korrekt reagiert und keine Gegenmaßnahmen angekündigt. Aber täuschen Sie sich nicht. Um die Jahreswende dürfte die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern - und das erst recht, falls der Euro weiter aufwerten sollte."

Ralf Umlauf, Ökonom bei der Landesbank Hessen-Thüringen

"Die EZB behält eine ruhige Hand, was aus Sicht des Bankensektors als Enttäuschung aufgefasst werden darf. Die hohen Überschussreserven der Banken werden bei der EZB negativ verzinst. Eine Entlastung hätte vor dem Hintergrund der zu erwartenden Anstiege bei coronabedingten Kreditausfällen die zukünftige Kreditvergabebereitschaft gestärkt. Das Zinsinstrument scheint dagegen ausgereizt zu sein, während erweiterte Anleihekäufe eine Option bleiben."

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank

"An den Finanzmärkten waren derweil Aussagen zum Euro mit Spannung erwartet worden. Frau Lagarde reagierte richtig wenn sie klarstellt, dass die EZB kein Wechselkursziel verfolge. Die Entwicklung des Euro kann nur indirekt bewertet werden, also mit Blick auf die Konsequenzen für die Teuerung. Haben die Euro-Aufwertungen inflationsdämpfende Effekte, kann die EZB sehr wohl handeln. Allerdings ist die europäische Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar noch immer unterbewertet. Kursgewinne des Euro sind deshalb durchaus gerechtfertigt. Hinter verschlossenen Türen wird man dies bei der EZB wohl auch so einräumen."

Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targo Bank

"Es scheint dennoch, als ob es die EZB in der Hochzeit der Coronakrise verpasst hat, sich um den Euro zu kümmern, wogegen die Fed ihre geldpolitischen Ziele sehr effizient verfolgte. Die EZB muss jetzt einen Weg finden, ihre bereits ultralockere Geldpolitik weiter zu lockern, um sich zumindest mittelfristig ihrem Inflationsziel anzunähern ohne gleichzeitig in die Liquiditätsfalle zu tappen. Dann würde eine Geldmengenerhöhung zu keiner Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Aktivitäten führen, wäre also nutzlos. Den Euro konnte sie heute auf jeden Fall nicht schwächen. Der gewann schon während ihrer Ausführungen weiter gegen den Dollar."

Uwe Burkert, Chefvolkswirt und Leiter LBBW Research

"Die EZB hat sich zunächst aufs Abwarten verlegt. Das heutige Statement war praktisch wortgleich mit seinem Vorgänger. Auch die Projektionen zu Inflation und Wachstum haben sich nicht sehr geändert, was angesichts der Dynamik der Veränderungen im Zeichen der Pandemie schon fast erstaunlich ist. Aber tatsächlich lag die EZB bisher mit ihren Prognosen ziemlich gut. Was den Euro-US-Dollar Wechselkurs angeht, haben schon die Spatzen von den Dächern gepfiffen, dass diese Bewegung dem EZB-Rat zu schnell und zu weit ging. Die Frage ist, ob es dem Markt reichen wird, dass Lagarde erklärt hat, dass die EZB die Sache beobachte. Wir gehen eher von einer weiteren Aufwertung des Euro aus, und dann wäre die EZB wieder unter Zugzwang, so dass eine Aufstockung des Anleihekaufprogramms der EZB zum Jahresende wahrscheinlich wird."

Christian Lips, Chefvolkswirt NordLB

"Die EZB hat auf ihrer heutigen Sitzung wie erwartet keine Veränderungen an den wichtigsten geldpolitischen Rahmenbedingungen vorgenommen. Die Leitzinsen bleiben demnach ebenso unverändert wie die Parameter zu den Ankaufprogrammen. Die EZB setzt nach dem massiven Absturz im ersten Halbjahr auf die aktuell laufende Erholung. Allerdings verläuft die Erholung uneinheitlich und bleibt unvollständig. Dass man im Rat in der Eurostärke keinen Grund für eine Überreaktion sehe, hat den Euro-Kurs am Nachmittag wieder über die Marke von 1,19 Dollar geschoben. Die Politik der ruhigen Hand ist aktuell angemessen, zu viel betonte Gelassenheit könnte der EZB allerdings schnell auf ihre Füße fallen."

Jan Krahnen, Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE

"Mit der heutigen Entscheidung bleibt die EZB ihrer Linie treu und überlässt das Feld der Fiskalpolitik der Euro-Staaten. Der Fokus richtet sich damit auf die großen, steuerfinanzierten Hilfsprogramme in der derzeitigen Coronakrise. Diese Arbeitsteilung zwischen EZB und Fiskalpolitik ist sinnvoll, denn während die staatlichen Corona-Hilfsprogramme vorrangig auf die Industrie zielen, richtet sich die Geldpolitik der EZB an die Banken. Das neuartige Element des aktuellen staatlichen Krisenmanagements ist, die aktive Konzentration finanzieller Mittel auf die Bankkunden, nicht auf die Banken selbst. Damit erfährt letztlich auch der Bankensektor Schutz, was der Haltung der EZB spricht, die Banken mit Liquidität zu versorgen. Die EZB hält sich mit diesem Kurs auch weitere Handlungsmöglichkeiten in Zukunft offen."

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