Erneute Zinserhöhung der EZB erwartet - aber mit etwas weniger Tempo

Statt einer kräftigen Anhebung um 0,50 Prozentpunkte wie noch im März wird am kommenden Donnerstag ein kleinerer Schritt um 0,25 Prozentpunkte erwartet. 
Christine Lagarde, EZB-Präsidentin | Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Probst
Christine Lagarde, EZB-Präsidentin | Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Michael Probst
Reuters

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird im Kampf gegen die hohe Inflation kommende Woche laut einer Umfrage unter 69 Volkswirten wohl erneut die Zinsen heraufsetzen. Das wäre bereits das siebte Mal in Folge, seit die EZB im Juli 2022 nach Jahren der ultralockeren Geldpolitik die Zinswende eingeleitet hatte. 

Allerdings rechnen Experten mehrheitlich damit, dass die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde auch wegen der jüngsten Banken-Turbulenzen auf ihrer Ratssitzung am kommenden Donnerstag den Fuß etwas vom Gas nehmen werden. Statt einer kräftigen Anhebung um 0,50 Prozentpunkte wie noch im März wird ein kleinerer Schritt um 0,25 Prozentpunkte erwartet. Der an den Finanzmärkten maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder erhalten, würde damit auf 3,25 Prozent steigen.

Euro-Wächter stehen vor einem Dilemma

Die Euro-Wächter stünden vor einem Dilemma, meinen die Volkswirte der US-Bank Morgan Stanley. Denn auf der einen Seite erfordere eine hartnäckige Kerninflation mehr Zinsanhebungen, dagegen sprächen die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor eher für ein graduelles Vorgehen. ”Die Lösung aus unserer Sicht wird ein Kompromiss sein”, so die Experten. Dessen Bestandteile seien ein kleiner Zinsschritt um einen Viertel-Prozentpunkt und eine Wiederbelebung der Zinsprognose der Währungshüter, die sich dann eng an die Konjunkturdaten anlehnen werde. Zuletzt hatte die EZB keine konkrete Zinsprognose mehr gegeben.

Die Gesamtinflation im Euro-Raum war zwar im März dank nachlassender Energiepreise weiter auf 6,9 Prozent gesunken (nach 8,5 Prozent im Februar). Das mittelfristige EZB-Ziel von zwei Prozent Teuerung liegt damit aber noch aber weit entfernt. Die Kernrate, in der schwankungsreiche Lebensmittel- und Energiepreise ausgeklammert sind, hat sich sogar von 5,6 Prozent auf 5,7 Prozent nach oben bewegt. Das war bereits der vierte Anstieg in Folge, was anzeigen könnte, dass der starke Preisschub womöglich länger anhält als gehofft. Sorgenfalten dürften der EZB zudem die jüngsten Turbulenzen im Bankensektor bereiten, nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank in den USA und dem Notverkauf der Schweizer Großbank Credit Suisse. Zwar beruhigten sich die Börsen zwischenzeitlich wieder etwas. Doch hohe Einlagenabflüsse bei der US-Regionalbank First Republic sorgten diese Woche erneut für Unruhe. Eine Kreditklemme in der Euro-Zone käme für die EZB höchst ungelegen.

Wichtige Daten am Dienstag

Aus Sicht von Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der niederländischen Bank ING, liegen kommende Woche voraussichtlich sowohl 0,25 Prozentpunkte als auch 0,50 Prozentpunkte auf dem Tisch. ”Die nächsten Inflationszahlen, die Kreditvergabedaten und die jüngste Kreditumfrage unter Banken, die nächste Woche veröffentlicht werden, werden den Ausschlag geben,” sagt Brzeski. Am Dienstag veröffentlicht das europäische Statistikamt Eurostat die Inflationszahlen für den Euro-Raum im April. Zudem gibt die EZB dann die neuesten Kreditvergabe-Daten bekannt und präsentiert darüber hinaus die Ergebnisse ihrer Umfrage unter Banken zur Darlehensvergabe, den sogenannten Bank Lending Survey (BLS). Für Lagarde & Co liefern sie wichtige Argumente zur Kalibrierung ihrer Geldpolitik. Die Bedeutung des BLS hatte am Mittwoch EZB-Vize Luis de Guindos noch einmal betont.

In der eingangs erwähnten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Volkswirten gingen 57 von 69 Experten oder rund 83 Prozent davon aus, dass die EZB die Zinsen nur um 0,25 Prozentpunkte nach oben setzen wird. Zwölf Ökonomen (17 Prozent) rechneten dagegen mit einem kräftigen Schritt um einen halben Prozentpunkt. Die Inflation bleibt für sie das zentrale Thema: Von 40 Volkswirten, die auf eine Zusatzfrage antworteten, stuften 32 Experten (80 Prozent) es als das größere Risiko ein, dass die Inflation 2023 höher ausfallen könnte als bislang erwartet.

Wie stark die Sorgenfalten bei manchen Euro-Wächtern angesichts des nach wie vor sehr kräftigen Preisschubs sind, machte unlängst Bundesbank-Präsident Joachim Nagel auf einer Veranstaltung in Washington deutlich. Die Risiken für die Preisstabilität seien aufwärtsgerichtet, merkte er dort an und ergänzte: ”Daher ist es nicht selbstverständlich, dass wir auf mittlere Sicht zu Preisstabilität zurückkehren.”

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