Serie zur Bundestagswahl: So sehen die Politiker den Umbau der Finanzaufsicht

Der Wirecard-Skandal hat nicht nur viele Diskussionen, sondern auch einen massiven Umbau der BaFin ausgelöst. Mit dem aktuellen Stand der Reformen sind aber vor allem die Oppositionsparteien immer noch unzufrieden.
Schriftzug der BaFin | Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com
Schriftzug der BaFin | Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Der Skandal um Wirecard hat Konsequenzen für die Finanzaufsicht. Die BaFin hat mit Mark Branson nicht nur einen neuen Präsidenten - auch ihr Umbau ist in vollem Gange.

Aber hat das Bundesfinanzminsterium die richtigen Lehren aus der Causa Wirecard gezogen? Und was fehlt noch, um den Finanzaufsehern wirklich mehr "Biss" zu verleihen? Danach haben wir die finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen gefragt.

Der Niedergang des Bezahldienstleisters hat im Jahr 2020 auch die Versäumnisse der Finanzaufsicht in den Blick gerückt.

Bei Wirecard klaffte eine Prüfungslücke 

Unter dem Motto "Mehr Biss für die Finanzaufsicht", hat Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz daher in der nun endenden Legislaturperiode einen massiven Umbau der Behörde angestoßen. Dadurch soll sie flexibler und schlagkräftiger werden, stärker präventiv agieren und Verdachtsfällen in der Bilanzkontrolle schneller und effizienter nachgehen.

Olaf Scholz will "harte Kontrolle der Finanzmärkte" 

Unter anderem bekommt die Behörde neue Befugnisse in der Bilanzkontrolle und der Finanzmarktaufsicht, eine Fokusaufsicht, die komplexe Unternehmen über die Grenzen der Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht bereichsübergreifend beaufsichtigen soll, und eine forensisch geschulte Taskforce, um Sonderprüfungen in Eigenregie durchführen zu können.

Aufgrund des rapiden Wachstums der Fintechs müsse die BaFin künftig zudem mehr Technologiekompetenzen aufbauen, um die Geschäftsmodelle dieser Branche verstehen und die mit der Technologie verbundenen Risiken beurteilen zu können, meint Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion | Foto: Lothar Binding
Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion | Foto: Lothar Binding
"Außerdem wurde mit Marc Branson ein neuer Präsident der BaFin berufen, der mit mehr Kompetenzen ausgestattet wurde", sagt Binding. "Durch eine effektivere Leitungsstruktur können künftig schnellere Entscheidungen getroffen und das Handeln der Gesamtorganisation besser koordiniert werden", ist der SPD-Mann überzeugt. Branson selbst hatte noch vor seinem Amtsantritt bei einer Befragung im Bundestag skizziert, wie er den geforderten Kulturwandel hinbekommen will.

"Es sind die Worte und Taten der Führungspersonen, die eine Kultur aufbauen", sagt Mark Branson 

Für Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen gehen die bisher eingeläuteten Veränderungen aber nicht weit genug. "Die BaFin hat bei Wirecard und zahlreichen weiteren Finanzskandalen versagt. Sie muss dringend neu aufgestellt werden und einen Kulturwandel einleiten. Die von Finanzminister Scholz eingebrachten Reformen reichen hierfür nicht aus", sagt sie.

Entpolitisierung der Aufsicht

Die Neubesetzung der Führungsspitze der Aufsicht komme mit viel Verspätung. "Den viel beschworenen 'Kulturwandel' und den strukturellen Umbau wird es so nicht geben", warnt Paus.

In einem Antrag hat die Grünen-Fraktion eigene Vorschläge für weitere Schritte gemacht. "Hierzu gehört unter anderem eine Entpolitisierung der Aufsicht durch mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten gegenüber Parlament und Öffentlichkeit", sagt Lisa Paus.

Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen | Foto: Lisa Paus
Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen | Foto: Lisa Paus
Zuletzt war im Bundestag heftig darüber diskutiert worden, ob die BaFin weiterhin an das Bundesfinanzministerium angedockt sein soll. So forderten etwa Juristen und Finanzökonomen in einem Positionspapier des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung (SAFE), die Behörde unabhängiger aufzustellen. Ihrer Meinung nach ist "die gegenwärtige Weisungsgebundenheit der BaFin (...) ein Einfallstor für politische Einflussnahme".

Experten fordern mehr Unabhängigkeit für die BaFin

Studie kritisiert politischen Einfluss bei der Finanzaufsicht

Finanzstaatssekretär Jörg Kukies hatte bereits erklärt, dass Bundesfinanzministerium prüfe gemeinsam mit dem neuen Präsidenten und den Gremien der BaFin, "ob und wie die Grundsätze der Rechts- und Fachaufsicht fortentwickelt werden müssen".

Kukies plädiert für Fortentwicklung bei Aufsicht der BaFin 

"In der kommenden Wahlperiode muss zudem geprüft werden, ob die BaFin durch eine größere Unabhängigkeit gestärkt werden kann", sagt Olaf Scholz' Parteigenosse Binding dazu.

Systemversagen bei der BaFin

Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Partei Die Linke, glaubt ebenfalls nicht an den schnellen Wandel der BaFin. "Eine schlagkräftige Aufsicht entsteht nicht von heute auf morgen, zumal der Wirecard-Skandal gezeigt hat, dass es an vielen Stellen gehapert hat. Der Konzern konnte der Aufsicht einen Bären nach dem anderen aufbinden, das war ein Systemversagen", so der Bundestagesabgeordnete.

Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Fraktion Die Linke (antwortete anstelle des finanzpolitischen Sprechers Fabio de Masi, der für den kommenden Bundestag nicht mehr antritt) | Foto: Axel Troost
Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Fraktion Die Linke (antwortete anstelle des finanzpolitischen Sprechers Fabio de Masi, der für den kommenden Bundestag nicht mehr antritt) | Foto: Axel Troost
Auch der Linken-Abgeordnete findet, das Mandat der Aufsicht müsse "besser an digitale Geschäftsmodelle angepasst werden und die Zusammenarbeit mit der APAS (Abschlussprüferaufsichtsstelle, Anm. d. Red.) wie auch mit den Marktwächtern verbessert werden".

Den Umbau evaluieren

Darin pflichtet ihm Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, bei. "Es war erschreckend zu sehen, in welchem Umfang Wirtschaftskriminalität trotz aller Schutzmechanismen, die bereits existierten, vorkommen konnte." Die Aufsicht wie auch die Abschlussprüfung müsse aus Wirecard lernen, dass eine "kritische Grundhaltung stärker als bisher die Arbeit prägen sollte".

Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion | Foto: picture alliance/ foto2press
Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion | Foto: picture alliance/ foto2press
"Auch eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit ist zwingend. Außerdem müssen die internen Kontrollmechanismen in Unternehmen verbessert werden", sagt Tillmann. An all diesen Punkten habe die Union das vom Finanzminister zur Aufarbeitung des Wirecard-Skandals vorgelegte Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) deutlich nachgebessert.

Dem neuen Präsidenten Mark Branson solle man nun aber die Chance geben, die notwendigen Veränderungen bei der BaFin umzusetzen - und ihm dann nochmal auf die Finger schauen: "In der neuen Legislaturperiode wird es dann notwendig werden, den Reformprozess bei der BaFin zu evaluieren und zu prüfen, ob noch weitere Schritte wie beispielsweise eine stärkere Entflechtung der BaFin vom Bundesfinanzministerium erforderlich sind", sagt Tillmann.

Keine Megabehörde schaffen

Auch Florian Toncar, finanzpolitischer der FDP-Bundestagsfraktion begrüßt zwar die Ernennung des neuen BaFin-Präsidenten - warnt aber davor, die BaFin mit immer neuen Aufgaben zu überhäufen. 

Florian Toncar, finanzpolitischer der FDP-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress
Florian Toncar, finanzpolitischer der FDP-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress
"Mark Branson bringt gute Voraussetzungen für seine Funktion mit, wird aber an konkreten Reformerfolgen gemessen werden. Die Bundesregierung muss aber ebenfalls ihren Beitrag leisten, dass die Reform gelingt. Die BaFin ist noch immer mit Aufgaben überladen, wir wollen sie schlanker, fokussierter und agiler machen", meint Toncar.

So brauche die BaFin eine schnelle Eingreiftruppe, um bei entsprechenden Vorwürfen gegen ein Unternehmen zügig forensische Aufgaben erledigen zu können. "Zudem braucht die BaFin mehr Diversität, mehr Internationalität, Forensiker, Bilanzexperten", so der FDP-Mann.

"Falsch wäre es dagegen, zusätzlich zu den bestehenden Aufgaben der BaFin noch 38.000 selbständige Finanzanlagevermittler ohne Not unter eine BaFin-Aufsicht stellen. Eine kaum mehr überschaubare Megabehörde wird ein neues Wirecard gerade nicht verhindern können."

Lobbyismus-Problem in den Ministerien und im Kanzleramt

Kritik übt der Linken-Politiker Troost allerdings ganz konkret auch an den politisch Verantwortlichen. "Es hat mich frappiert, wie sich verschiedene Regierungsvertreter von den Wirecard-Managern vor den Karren haben spannen lassen - bis hin dazu, dass die Aufseher gegen diejenigen vorgegangen sind, die auf das Wirecard-Kartenhaus hingewiesen haben. Das war völlig unprofessionell", kritisiert Troost.

"Der Untersuchungsausschuss hat gezeigt, dass neben dem Finanzministerium auch das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt ein massives Lobbyismus-Problem haben. Das muss unabhängig von der BaFin-Reform angegangen werden."

Finanz-TÜV einführen

Die Linke leitet aus dem Versagen bei Wirecard auch grundsätzliche Lehren für den Finanzsektor ab: "Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass im Finanzsektor viel zu viel Geld und kriminelle Energie unterwegs ist und die Aufseher hoffnungslos damit überfordert sind, den Tiger zu reiten. Das Finanzsystem ist viel zu aufgebläht und komplex", beklagt Troost.

"Wir fordern deswegen Reformen wie ein europäisches Zulassungsverfahren für Finanzprodukte ('Finanz-TÜV'), um den Sektor auf eine Dienstleistungsfunktion gegenüber der Realwirtschaft zurückzustutzen."

AfD: Regulierung schwächt das Bankensystem

Einzig Albrecht Glaser, finanzpolitischer Sprecher der AFD-Bundestagsfraktion, zweifelt grundsätzlich am Sinn der Bankenregulierung: "Bei den Bankenregelwerken ist zu hinterfragen, ob diese die Banken sicherer machen oder zusätzliche Risiken schaffen. Die wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen in den Ländern sind ebenso unterschiedlich wie die Bankensysteme. Einheitliche internationale Regeln wirken daher regelmäßig wettbewerbsverzerrend, schwächen die Banken und mindern die Stabilität des Bankensystems eher als dass sie sie stärken", sagt Glaser.

Albrecht Glaser, finanzpolitischer Sprecher der AFD-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress
Albrecht Glaser, finanzpolitischer Sprecher der AFD-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress
Auch die strengeren Regeln für die Wirtschaftsprüfer lehnt er ab. "Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sollten nicht strenger reguliert werden, stattdessen sollte deren Haftung ausgeweitet werden. Diese Verantwortung für die Qualität wirkt stärker als eine strengere Regulierung", meint Glaser.

 

Bisher veröffentlicht, im Rahmen der FinanzBusiness-Serie zur Bundestagswahl:

So stehen die Parteien zu Green Finance

So bewerten Politiker die Herausforderungen für den Bankensektor

Jetzt teilen

Zum Newsletter anmelden

Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen Ihrer Branche.

Newsletter-Bedingungen

Die jüngsten FinanzBusiness-Artikel

Die GLS Bank ist bislang die einzige Bank, die Debitkarten aus Holz standardmäßig ausgibt. | Foto: GLS Bank

Zweifel an Nachhaltigkeit der neuen Genossen-Holzkarte

Für Abonnenten

Lesen Sie auch