Serie zur Bundestagswahl: So stehen die Parteien zu Green Finance
![Grüne Finanzen (Symbolbild) | Foto: picture alliance / Zoonar | DesignIt](https://photos.watchmedier.dk/watchmedier/resize:fill:3840:0:0/plain/https://photos.watchmedier.dk/Images/article13269711.ece/ALTERNATES/schema-16_9/243168288.jpg.png)
Finanzen werden grüner: Die EU hat bereits ihre überarbeitete Strategie für nachhaltige Finanzanlagen vorgelegt. Doch in der Branche ist man sich noch uneins: Den einen geht die EU-Taxonomie schon zuweit. Andere fürchten, zu laxe ESG (Environmental Social Governance) Standards könnten als Feigenblatt benutzt werden.
EU-Kommission macht die grüne Anleihe zum "Goldstandard"
Klimapläne von Europas größten Banken bleiben zu ungenau
"Die Konzentration auf Einserschüler reicht bei ESG nicht"
Muss – oder kann – Deutschland hier zum Vorreiter werden? Welche Chancen und Risiken birgt der Trend zu mehr Nachhaltigkeit, sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung im Finanzwesen – für Banken und Finanzdienstleister, aber auch aus Sicht von Unternehmen und Verbrauchern, die Kredite aufnehmen oder investieren?
Danach haben wir die finanzpolitischen Sprecher der Bundestagsfraktionen gefragt.
Einzig für die AfD geht die Idee des Umbaus der Finanzwelt anhand von ESG-Leitplanken grundsätzlich in die falsche Richtung.
![Albrecht Glaser, finanzpolitischer Sprecher der AFD-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress](https://photos.watchmedier.dk/rFDrY5HS6-Q_sxA59abcj1PtyKjld0e-REop_tU1rdk/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260279.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2Falbrecht%2520Glaser_picture%2520alliance_Geisler-Fotopress_quadrat.jpg)
Soziale Verantwortung sei Grundlage der Gesellschaft und ergebe sich beispielsweise durch ein progressives Steuersystem. Die Sozialverantwortung beziehe sich daher auf das Ergebnis des Wirtschaftens, also das Einkommen oder den Gewinn. "Nachhaltigkeit kann erzielt werden, wenn negative externe Effekte internalisiert werden (Umweltsteuern oder -zertifikate) und somit das Wirken des marktwirtschaftlichen Preissystems unterstützt wird", meint Glaser.
Die anderen finanzpolitischen Sprecher der derzeit im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen begrüßen grundsätzlich den Wandel hin zu einem "grüneren" Finanzsystem.
Transformation bis 2045
Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion verweist auf die von der Bundesregierung auf Vorschlag von Olaf Scholz und Svenja Schulze beschlossene deutsche Sustainable Finance-Strategie mit dem klaren Ziel, Klimaschutz und die sozial-ökologische Transformation, auch der Wirtschaft, bis spätestens 2045 zu finanzieren.
![Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion | Foto: Lothar Binding](https://photos.watchmedier.dk/LrZCi0T3nGS7poLyFkGPUCCWfgxd0kPwYsrcPYY_qkc/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260269.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2Fbinding-lothar_quadrat.jpg)
Wie das erreicht werden soll, skizzieren SPD und CDU recht konkret. "Um unser Ziel nach mehr nachhaltigen Anlageprodukten zu erreichen, müssen wir darauf hinwirken, dass eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft entsteht", so Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion. "Innerhalb eines verbindlichen ordnungspolitischen Rahmens setzen wir dabei neben der Regulierung von Eckpunkten und Transparenzerfordernissen insbesondere auf marktwirtschaftliche Instrumente."
![Antje Tillmann, finanzpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion | Foto: picture alliance/ foto2press](https://photos.watchmedier.dk/9yrZ9irtG-pZxlYL3CyJJbeGaWkpByuBFjc6hphVIQs/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260275.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2Fantje%2520Tillmann_picture%2520alliance_foto2press_quadrat.jpg)
Freiwilliges Label vs. Nachhaltigkeits-Ampel
Beim Thema "grüne Etiketten" setzt sie allerdings auf das Prinzip der Freiwilligkeit. "Wir schlagen als einen möglichen Weg zunächst ein freiwilliges, aber einheitliches Label vor. Dieses sollte zwischen der Finanzwirtschaft und NGOs vereinbart werden und durch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) auf Einhaltung kontrolliert und zertifiziert vergeben werden. Dieses Label kann aus unserer Sicht einen maßgeblichen Beitrag zur Transparenzsteigerung für potenzielle Anleger leisten, damit diese verstärkt in nachhaltige Anlageprodukte investieren können."
Die EU-Taxonomie schaffe eine gemeinsame Sprache über das, was "nachhaltig" messbar bedeutet, meint SPD-Mann Binding. Private Investoren und Kreditgeber sollen bei der Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken- und wirkungen mehr Transparenz erwarten können. Dem grünen "E" fügt er auch ein "S" hinzu: "Gerade in Corona-Zeiten muss die Sozialtaxonomie gemeinwohlorientiertes Unternehmertum einfacher machen. Wir wollen Anleger:innen die Entscheidung für nachhaltige Geldanlagen durch eine "Nachhaltigkeitsampel" einfach machen", verspricht Binding.
Gut, aber nicht gut genug
Angesichts der Realität von Klimawandel und andere ökologische Katastrophen handele "grob fahrlässig", wer sich nicht auf die unvermeidbar anstehenden Veränderungen einstellt, betont Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Partei Die Linke. "So gesehen sind die geplanten Regeln für Kennzeichnungen, Offenlegungen und Risikoanalysen im Finanzbereich nur konsequent, aber auch nicht besonders revolutionär", sagt Troost.
![Florian Toncar, finanzpolitischer der FDP-Bundestagsfraktion | Foto: picture alliance/ Geisler-Fotopress](https://photos.watchmedier.dk/_G1R0gaKbMzcI19waWx_tQ2taBoJXdIoW2BYXIAaxlY/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260278.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2FFlorian%2520Toncar_picture%2520alliance_Geisler-Fotopress_quadrat.jpg)
Doch auch er sieht die Problematik des Greenwashing: "Nicht alles, was grün aussieht, ist aber auch wirklich nachhaltig. Die Debatte um die europäischen ESG-Kriterien zeigt das ganz deutlich." Daher solle man nicht den Fehler machen, Risiken auszublenden und nachhaltige Geschäftsmodelle einer gesonderten Regulierung zu unterwerfen, sagt Toncar.
Grün als New Normal - ohne Etiketten
Linken-Politiker Troost bleibt da kritischer: "Beim Großteil der nun neu aufgelegten Produkte und Prozesse wird der Nutzen für die Umwelt eher überschaubar bleiben. Manches wird ihr sogar schaden, weil sie wie Beruhigungspillen wirken können." Über kurz oder lang reiche es ohnehin nicht aus, ein grünes Finanzsegment zu etablieren, "sondern der gesamte Sektor muss grün werden, jedenfalls frei von fossilen und nicht-nachhaltigen Segmenten", sagt der Linke.
![Axel Troost, Mitglied des Bundestages für die Fraktion Die Linke (antwortete anstelle des finanzpolitischen Sprechers Fabio de Masi, der für den kommenden Bundestag nicht mehr antritt) | Foto: Axel Troost](https://photos.watchmedier.dk/5r9NrQDN-RsI7qpW0tVNMUVj_Y50foB8AK5gVbPLoKY/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260291.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2FPressefoto_Axel_Troost_quadrat.jpg)
Echte Musterschüler bleiben in der Nische
Das alles schließe nicht aus, dass es auch im Finanzbereich Unternehmen geben werde, die sich durch besonders ökologisches Handeln auszeichnen. "Die sehe ich aber nach wie vor in einer Nische", kritisiert Troost.
![Lisa Paus, finanzpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen | Foto: Lisa Paus](https://photos.watchmedier.dk/aiUqI3PHPKX_I19GcVX_pRHTH1zsKfD3IH9WGhP7aMk/resize:fill:960:0:0/plain/https%3A%2F%2Fphotos.watchmedier.dk%2FImages%2Farticle13260272.ece%2FALTERNATES%2Fschema-16_9%2FLisaPaus_Presse_Chaperon_quadrat.jpg)
Chancen, den Standard zu setzen
Wenn immer mehr Länder Maßnahmen zum Erreichen der Pariser Klimaziele ergreifen, würden bestimmte Investitionen, wie Aktien von Kohlekonzernen an Wert verlieren. "Stellen sich die Finanzakteure nicht frühzeitig darauf ein, drohen ihnen hohe Verluste und im schlimmsten Fall ein neuerliche Systemkrise", warnt Paus.
Schlussendlich gelten auf den Finanzmärkten weltweite Standards. "Wer zuerst praktikable pariskonforme Nachhaltigkeitstandards setzt, hat gute Chancen, dass diese weltweit übernommen werden, kann so zum Vorreiter werden und einen Wettbewerbsvorteil für seine Finanzindustrie erringen", sagt die Grünen-Politikerin.
KfW als Transformationsbank
In ihrem Wahlprogramm sprechen die Grünen auch davon Entwicklungs- und Investitionsbanken wie die Weltbank oder die KfW in Transformationsbanken umzubauen.
SPD-Mann Binding hat da ganz ähnliche Pläne. "Weiterhin werden wir die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) in eine innovative Transformationsbank weiterentwickeln. Damit muss beispielsweise die Förderung fossil betriebener Kreuzfahrtschiffe enden", so Binding. Von der BaFin erwartet er zudem eine verbesserte Aufsicht durch die Stärkung der eigenen Nachhaltigkeitsexpertise.