"Die Interessen unserer Kunden und unsere als Bank sind deckungsgleich", sagt Daniel Llano

Der Privatkundenvorstand der ING Deutschland spricht im Interview mit FinanzBusiness über Verwahrentgelte, wie man Kunden Risiken und Chancen am Aktienmarkt nahebringt und welches Institut mit welcher Strategie am Ende die Nase vorn haben wird.
Daniel Llano | Foto: ING Deutschland
Daniel Llano | Foto: ING Deutschland

Die ING Deutschland will sich nicht am Wettlauf der Institute beteiligen, Verwahrentgelte auch für bestehende Konten zu erheben und Freibeträge abzusenken. Das sagte der für das Privatkundengeschäft zuständige Vorstand Daniel Llano im Interview mit FinanzBusiness. Stattdessen setzt er vorerst darauf, den 9,5 Millionen Kunden der ING Deutschland andere Anlageformen, etwa das Wertpapiersparen nahe zu bringen.

Allein in diesem Jahr haben 122 weitere Banken und Sparkassen Verwahrentgelte eingeführt. Ihre Zahl steigt somit auf 300, wie eine Auswertung des Vergleichsportal Verivox zum Stichtag 9. April ergab.

Bei Negativzinsen geht es mit den gewährten Freibeträgen stetig abwärts

Zudem purzeln die Freibeträge, bis zu denen die Banken und Sparkassen auf Verwahrentgelte verzichten. Zuletzt hatte die Commerzbank angekündigt, die Grenze für alle Kunden, die seit Mitte vergangenen Jahres besteht, zum 1. August auf 50.000 Euro zu halbieren und auch mit längerfristigen Kunden individuelle Vereinbarungen zu treffen.

Commerzbank senkt Verwahrentgelt-Grenze bei Neukunden 

Llano will bei der ING Deutschland, gemessen an der Zahl der Privatkunden das drittgrößte deutsche Institut, keinen forschen Kurs in Sachen Verwahrentgelt einschlagen.

"So lange, wie wir es können, werden wir versuchen, Verwahrentgelte für Bestandskonten zu vermeiden", sagte der Privatkundenvorstand FinanzBusiness im Interview. Allerdings ließ er auch auf Nachfrage offen, wie lange die ING Deutschland Verwahrentgelte vermeiden kann. "Das hängt von vielen Faktoren ab", sagte Llano lediglich.

Für neue Konten hatte die ING Deutschland im November vergangenen Jahres ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent für Guthaben über 100.000 Euro eingeführt. Die Regelung greift seit Februar.

ING Deutschland führt Verwahrentgelte ein

"Dieser Schritt ist uns nicht leicht gefallen. Jahrelang haben wir schließlich den Kunden gesagt, legt das Geld auf unseren Tagesgeldkonten an", sagte Llano FinanzBusiness im Interview.

"Wir wollen positive Anreize setzen, nicht negative"

Auf die Frage, ob ein Verwahrentgelt die Kunden nicht dazu bewegen kann, zügiger etwa in Wertpapieren anzulegen, sagte der Privatkundenvorstand: "Wir versuchen positive Anreize zu setzen, keine negativen. Unser Fokus liegt im Moment darauf, unseren Kunden Optionen zu bieten."

Einen dieser positiven Anreize führte die ING im vergangenen Herbst ein. Kunden können bereits ab 1 Euro in auf Aktien oder ETFs basierende Wertpapiersparpläne investieren, um so ihr Vermögen zu steigern.

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"Die Interessen unserer Kunden und unsere als Bank sind deckungsgleich", sagt Llano im FinanzBusiness-Interview. "Die Welt hat sich geändert. Wer sein Geld auf ein Tagesgeldkonto legt, verliert jedes Jahr Vermögen. Dafür sorgt alleine schon die Inflation. Dazu kommen Null-Zinsen oder gar Verwahrentgelte."

Banken haben ebensowenig Interesse an stets steigenden Sichteinlagen. Parken sie überschüssige Liquidität bei der Europäischen Zentralbank, müssen sie ebenfalls 0,5 Prozent Negativzinsen entrichten.

Wertverlust des Vermögens aufhalten

"Wir müssen unsere Kunden dabei unterstützen, diesen Wertverlust ihres Vermögens aufzuhalten. Das ist in ihrem und in unserem Interesse. Wir haben sieben Millionen Sparer als Kunden, fünf Millionen von ihnen sind nicht in Wertpapiere investiert", sagt Llano.

Die Kunden denken langsam um. So stieg das Depotvolumen der ING-Kunden auf 57,3 Mrd. Euro per Ende 2020 von 45,8 Mrd. Euro ein Jahr zuvor. Derweil stieg im vergangenen Jahr die Zahl der Depots um knapp 290.000 auf jetzt 1,7 Mio, und die Zahl der abgeschlossenen Wertpapiersparpläne auf 573.000 von 352.000 ein Jahr zuvor.

Freilich legten auch die Einlagen auf Tagesgeldkonten von 118,5 auf 121,2 Mrd. Euro zu. Lediglich die Festgeldeinlagen zeigten eine leicht rückläufige Tendenz auf 4,6 Mrd. von 6,1 Mrd. Euro ein Jahr zuvor.

Zahlen für die Entwicklung im Auftaktquartal 2021 mochte der Privatkundenvorstand noch nicht preisgeben. Nur soviel: "Wir haben 2020 netto rund 220.000 Wertpapiersparpläne hinzugewonnen und 2021 werden es sicherlich nicht weniger sein."

Sicherheitsvorkehrungen für Kunden

Llano legt großen Wert darauf, dass die Kunden verstehen, dass Investments in Wertpapiere nicht so risikolos wie Tagesgeldkonten sind. "Wir klären unsere Kunden über die Risiken auf und versuchen, ihnen die richtigen Tools an die Hand zu geben, um mit den Risiken umzugehen. Dazu bauen wir die Wertpapierfunktionalitäten immer weiter aus, beispielsweise mit Limits, Kurs-Übersichten oder Push-Benachrichtigungen in der App, sagt er im Interview.

"Noch im laufenden zweiten Quartal, wahrscheinlich im Mai, werden wir zudem die Komfortanlage einführen. Dann haben unsere Kunden die Möglichkeit, sich digital bei der Geldanlage beraten zu lassen", schildert Llano. "Bei Bedarf stehen einem zunächst kleinen Kundenkreis Anlage-Coaches zur Seite, die sich per Videochat hinzuschalten." Dafür berechnet die ING pro Jahr 0,99 Prozent des durchschnittlichen Kurswertes. Neben dem Coach werden damit auch Depotführungs- und Transaktionskosten abgedeckt.

Llano, der für die niederländische Großbank ING auch schon in seiner spanischen Heimat und in Rumänien arbeitete, stellt den Kunden ein gutes Zeugnis aus: "Als ich 2018 nach Deutschland kam, war ich überrascht, dass es einerseits eine Nation von Barzahlern war, andererseits aber unter den Bürgern ein durchaus solides Finanzverständnis vorhanden war." Zudem sagt er: "Das Jahr 2020 mit seinen Kursschwankungen hat gezeigt, mit welchen Risiken und Chancen Kunden bei Wertpapierinvestments rechnen müssen."

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Wertpapiere ersetzen klassisches Sparen nicht immer

Gleichwohl sieht er es als Aufgabe der ING Deutschland an, dass ihre Kunden die Risiken kennen: "Wer beispielsweise in einem Jahr eine Hochzeit, einen teuren Urlaub oder eine größere Anschaffung plant, dem würden wir nicht empfehlen, dieses Geld in Wertpapiere zu investieren, da es zu Kursschwankungen kommen kann." Gleichwohl sind die in Wertpapiersparen investierten Einlagen täglich verfügbar. Diese Flexibilität erachtet der Privatkundenvorstand der ING Deutschland als wichtig an.

Die Märkte als Casino zu betrachten, lehnt Llano strikt ab. "Wir haben nicht vor, den Handel auf stark volatile Kryptowährungen zu ermöglichen", sagt er FinanzBusiness. Bei dem als Zockeraktie bekannt gewordenen Papier von Gamestop gibt sich Llano differenzierter: "Wir wollen unseren Kunden den Handel mit solchen Aktien nicht verbieten. Unsere Kunden sollen die Möglichkeit haben, auch solche Aktien zu kaufen."

Llanos Ziel ist aber ein anderes, wie er im Interview klarstellt: "Was wir unseren Kunden aber vermitteln und wofür wir stehen, ist kostengünstiges, einfaches und vor allem langfristiges Investieren."

Klarer Trend zur Digitalisierung

Sorgen, dass die Verlagerung des Geschäfts von Tagesgeldkonten auf Wertpapierinvestments die Digitalisierung ausbremst, hat Llano nicht. "Im vergangen Jahr hatten wir 900 Millionen digitale Kundenkontakte, 86 Prozent davon über die App, aber weniger als vier Millionen Anrufe im Call-Center. Auf den Tag herunter gebrochen sind das etwa zweieinhalb Millionen digitale Interaktionen und 12.000 bis 13.000 Anrufe. Ich glaube, dass sich der Trend zum digitalen Banking fortsetzen wird."

Darum, so ist Llano überzeugt, werden sich alle Banken und Sparkassen in ihrer Strategie angleichen und mit ihren Kunden digital kommunizieren. "Die Strategien der Banken werden die gleichen sein, entscheidend wird sein, wie schnell und erfolgreich die Strategien auch umgesetzt werden", sagt Llano FinanzBusiness im Interview.

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