Am Immobilienmarkt bahnt sich Preisverfall an - mit Überraschungen

Immobilien-Gutachter der Value AG sehen bereits Preisdruck in den Segmenten Büros, Einzelhandel und Hotels. Gewinner gibt es aber auch.
Logo der Hypoport-Tochter Value AG, einem Full-Service-Provider im Bereich Immobilienbesichtigung und -bewertung | Foto: Hypoport SE
Logo der Hypoport-Tochter Value AG, einem Full-Service-Provider im Bereich Immobilienbesichtigung und -bewertung | Foto: Hypoport SE

Die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt haben Marktteilnehmer überrascht, viele Finanzierer hatten bereits zum jetzigen Zeitpunkt mit einem starken Preisverfall gerechnet. Auch wenn der Preiscrash bislang ausblieb, werden die getroffenen Erwartungen in Form von Problemen und düsterer Zukunft wohl nicht ausbleiben.

Entscheider aus Bankinstituten aller drei Säulen erwarten teilweise stark rückläufige Preise am Immobilienmarkt

Experten der Value AG, einem Full-Service-Provider im Bereich Immobilienbesichtigung und -bewertung und Tochterunternehmen der Hypoport SE, geben Einschätzungen für die verschiedenen Asset-Klassen: Vor allem Objekten mit Büros, Einzelhandel und Hotels stehen demnach wohl vor einem Preiscrash, während die Preise für Wohn-, Pflege- und Logistikimmobilien dieses Jahr stabil oder vielleicht sogar im Plus enden werden.

Das Beisheim-Center am Potsdamer Platz in Berlin | Foto: Das Beisheim-Center am Potsdamer Platz in Berlin
Das Beisheim-Center am Potsdamer Platz in Berlin | Foto: Das Beisheim-Center am Potsdamer Platz in Berlin

Beherbungsimmobilien

Die Hotel- und Gastronomiebranche ist von der Corona-Krise besonders gebeutelt, entsprechend schlecht sieht es auch für die Preisentwicklung in diesem Segment aus. Denn auch wenn die Menschen wieder reisen dürfen, geht Matthias Dobrick, Immobilien-Gutachter der Value AG, davon aus, dass der Sektor Probleme haben wird, das Vor-Krisen-Niveau zu erreichen.

Er stellt in Aussicht: "Destinationen mit geringerem internationalem Businesstourismus werden sich dabei rascher erholen als Hotelmärkte, die in Co-Abhängigkeit zu großen Events und Veranstaltungen stehen." Außerdem würden aufgrund der aktuell günstigen Miet- und Kaufoptionen liquide Hotelbetreiber die Gunst der Stunde zur Expansion nutzen, beobachtet Dobrick.

"Abschließend ist es in jedem Fall ratsam, Hotelengagements zu beobachten. Neben der nachhaltig tragfähigen Miete/Pacht hat sich auch das allgemeine Wertniveau in Teilen signifikant und zumeist mit negativem Vorzeichen verschoben."

 

Ein Schild an einem Bürohaus wirbt damit, dass hier Büros und Praxisflächen zu vermieten sind, aufgenommen in Berlin im Stadtteil Schöneberg | Foto: Ein Schild an einem Bürohaus wirbt damit, dass hier Büros und Praxisflächen zu vermieten sind, aufgenommen in Berlin im Stadtteil Schöneberg
Ein Schild an einem Bürohaus wirbt damit, dass hier Büros und Praxisflächen zu vermieten sind, aufgenommen in Berlin im Stadtteil Schöneberg | Foto: Ein Schild an einem Bürohaus wirbt damit, dass hier Büros und Praxisflächen zu vermieten sind, aufgenommen in Berlin im Stadtteil Schöneberg

Büroimmobilien

Auch für Büroimmobilien sieht es nicht gut aus - allerdings nicht flächendeckend: "Es ist davon auszugehen, dass sich die Renditespanne weitet", sagt Jens Riehl, Immobilien-Gutachter. Aber auch hier werde es keine Rückkehr zum Status von vor der Krise geben, vor allem vor dem Hintergrund einer sich verändernden Nachfrage.

"Auf der einen Seite werden langfristig vermietete Objekte mit bonitätsstarken, diversifizierten Mietern in Top-Lagen weiterhin eine sehr starke Nachfrage und höchstwahrscheinlich sogar sinkende Renditen verzeichnen können." Dabei treffe hoher Anlagedruck angesichts fehlender Alternativen und gestiegener Risikoaversion auf ein kleiner gewordenes Kernsegment.

Andererseits, so Riehl weiter: "Auf der anderen Seite stehen periphere Lagen, veraltete Gebäudekonzepte und aktuell auch spekulative Projektentwicklungen, die nicht zu den Lieblingen der Investoren gehören. Auch die finanzierenden Banken sind vorsichtiger geworden. Für diese Objekte sind Renditeanstiege zu erwarten."

Kölner Innenstadt in Zeiten der Coronakrise beim zweiten Lockdown | Foto: Kölner Innenstadt in Zeiten der Coronakrise beim zweiten Lockdown
Kölner Innenstadt in Zeiten der Coronakrise beim zweiten Lockdown | Foto: Kölner Innenstadt in Zeiten der Coronakrise beim zweiten Lockdown

Einzelhandelsimmobilien

Besonders schlecht sieht es bei Objekten mit Einzelhandel aus. Hier sieht Immobilien-Gutachter Martin Drescher eine negative Preisentwicklung in allen Lagen. Lediglich Stadtteil- bzw. Kiezlagen könnten nach der Wiedereröffnung einen schnellen Aufschwung erleben, sofern die Liquidität der Ladeninhaber bis dahin gegeben ist, sagt er.

"Die kurz- und mittelfristig (hohen) Leerstände in vielen Lagen bedingen perspektivisch sinkende Mieten und ein differenziertes Straßenbild", so Drescher. Es sei davon auszugehen, dass besonders bei den Shopping-Centern, bei denen "aufgrund des hohen Versatzes an filialisierten (Textil-)Ketten ein großer und teilweise sehr hartnäckiger Leerstand inhärent ist, weitere Insolvenzen der Immobilieneigentümer und / oder Umnutzungen drohen."

Drescher erwartet temporär "verödete" Innenstädte. Daran Schuld hat auch das Thema Home-Office, welches traditionell Kaufkraft bindet.

"Nach einer kurz- und mittelfristigen Schockwelle mit vielen Insolvenzen und großen Leerständen ist jedoch von einem Anpassungsprozess auszugehen: Ein hohes Flächenangebot verbunden mit sinkenden Mieten führt perspektivisch zu einem wechselnden Interessenten- beziehungsweise Mieterkreis", sagt er weiter.

"Die Mieten werden dabei für viele wieder wirtschaftlich tragfähig sein. Dies führt langfristig dazu, dass auch andere (freizeit- und erlebnisorientierte) Branchen sowie Online-Händler und Hersteller sich vermehrt präsentieren können. Lebensmittelmärkte und Drogerien streben ohnehin bereits verstärkt in die Innenstädte."

Mitarbeiter im Warenlager des Online-Versenders Redcoon. | Foto: Mitarbeiter im Warenlager des Online-Versenders Redcoon.
Mitarbeiter im Warenlager des Online-Versenders Redcoon. | Foto: Mitarbeiter im Warenlager des Online-Versenders Redcoon.

Logistikimmobilien

Weil Logistikimmobilien vielfach als Gewinner der Corona-Krise gesehen werden, zeichnet sich in dem Segment hingegen eine positive Preisentwicklung ab.

Gutachter Tobias Balling dazu: "Aus meiner Sicht bewegen sich die Renditen im Abgleich mit anderen Objektarten zwischenzeitlich auf einem Niveau, der ein weiteres Absinken der Renditen kaum vermuten lässt." Tendenziell könne man davon ausgehen, dass die Mieten für Logistikflächen aufgrund verstärkter Nachfrage in der Zukunft weiter steigen und sich somit kaufpreiserhöhend auswirken.

"Das erwartete Preiswachstum in den Hauptlagen begründet sich meiner Meinung nach in der Flächenknappheit innerhalb der Ballungsräume", sagt er weiter. "Hier ist auch für die Zukunft keine Besserung in Sicht, da geeignete Flächen für Logistikansiedlungen zu einem immer knapperen Gut werden."

Daran habe auch die Krise nichts geändert - im Gegenteil. "Die Nachfrage nach Logistikflächen wird in Deutschland weiter steigen, denn die Erfahrungen in der Krise haben gezeigt, dass der weltweite Warenaustausch durch Grenzschließungen beziehungsweise politische Hemmnisse ins Stocken geraten kann", so Ballig. Deshalb rücke der Wirtschaftszweig verstärkt ins Bewusstsein.

Aareal Bank setzt wegen Corona-Pandemie stark auf Logistikimmobilien 

Das Bild zeigt die Aussenasicht des Altenheims St. Marien in Osnabrück | Foto: picture alliance / Fotostand | Fotostand / Reiß
Das Bild zeigt die Aussenasicht des Altenheims St. Marien in Osnabrück | Foto: picture alliance / Fotostand | Fotostand / Reiß

Pflegeimmobilien

Der Markt für Pflegeimmobilien ist durch ausländische Investoren stark geprägt, weiß Doreen Wilke. Die Immobilien-Gutachterin der Value AG sieht durch den drohenden Preisverfall in anderen Segmenten aber Chancen: "Der Markt für Pflegeimmobilien profitiert hier zum einen von der pandemiebedingt schwierigen Situation auf den Märkten für Einzelhandel, Büro und Beherbergung sowie den allgemein günstigen Marktbedingungen in Deutschland, zum anderen von den im Vergleich zu den genannten anderen Teilmärkten (noch) relativ hohen Renditen."

Man beobachte, dass Risikofaktoren wie der steigende Pflegekräftemangel, starke gesetzliche Reglementierungen und konzeptionelle Schwächen in den Hintergrund treten. Das Augenmerk liege eher auf langfristigen Vertragslaufzeiten, erfahrenen Betreibern sowie solider Bausubstanz.

Wesentliche Corona-Einflüsse seien nicht zu erwarten. "Das Investitionsvolumen wird eher durch das limitierte Produktangebot beeinflusst werden, daher ist mit weiter steigenden Kaufpreisen zu rechnen", sagt Wilke. Außerdem ausschlaggebend seien die sehr günstigen Bedarfsprognosen bei zu geringer Neubautätigkeit.

"Vor diesem Hintergrund plädieren wir dennoch bei der Risikobewertung der Pflegeimmobilien-Investments den steigenden Pflegekräftemangel sowie die daraus resultierenden Auslastungseinschränkungen und – gerade bei älteren Bestandimmobilien - die konzeptionellen Schwächen vor dem Hintergrund der von Bundesland zu Bundesland variierenden gesetzlichen Anforderungen an moderne Pflegeheime - Stichwort: Einzelzimmerquote, Zimmermindestgrößen, Heimgröße - nicht außer Acht zu lassen"

Mit Pflanzen bewachsene Hauswand | Foto: Mit Pflanzen bewachsene Hauswand
Mit Pflanzen bewachsene Hauswand | Foto: Mit Pflanzen bewachsene Hauswand

Wohnimmobilien

Die wohl positivste Entwicklung steht dem Wohnungsmarkt bevor - vor allem in den Städten. Home-Office, Lockdown und Reisebeschränkungen bewahrten den Sektor bislang vor negativen Auswirkungen der Krise.

"Eine neue qualitative Nachfrage trifft in den Städten auf ein knappes Angebot, Suburbanisierungstendenzen, die bereits lange vor Corona messbar waren, werden verstärkt, auch weil sich die Pendelkosten wahrscheinlich nachhaltig verschieben. Die Speckgürtel werden ein wenig weiter geschnallt und etwas Druck vom Kessel der Kernstädte genommen", analysiert Sebastian Hein, Immobilien-Gutacher, die Lage.

Und weiter: "Diese geänderten Rahmenbedingungen treffen auf eine späte Phase des Zyklus, für den sich auch ohne Corona eine Plateaubildung angekündigt hatte." Die Entwicklung der Wohnungsmärkte im Kontext der Pandemie sei daher stark davon abhängig, wie sich die Einkommen entwickeln. Dabei spiele es eine große Rolle, wie nachhaltig die Einkommensausfälle bei Haushalten und Umsatzeinbrüche bei Unternehmen kompensiert werden.

In der Region kann es hingegen laut Hein zu Preisverfall kommen: "Regionalwirtschaftliche Monostrukturen werden zu einem Risiko für regionale Wohnungsmärkte. Regional kann es daher auch zu Preiseinbrüchen kommen, wenn bestimmte Branchen Arbeitsplätze abbauen oder gehäuft Insolvenzen auftreten. Das Ausmaß ist schwer prognostizier- und heute noch nicht wirklich abschätzbar."

Er resümiert und warnt: "Es gibt nicht den einen Wohnungsmarkt. Geänderte Präferenzen, Nachfrageverschiebungen und Reisegewohnheiten können für einzelne Teilsegmente zur Gefahr werden. Teilmärkte wie Mikroapartments oder Studentenwohnen sind beispielsweise einem größeren Risiko ausgesetzt. Auch hier ist erhöhte Wachsamkeit angebracht."

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