Cum-Ex-Skandal: Justizminister bezeichnet Vorwürfe der Staatsanwältin als unberechtigt

Anne Brorhilker, die jahrelang die Anklage vertrat, hatte kürzlich ihren Job gekündigt. Finanzkriminalität werde nicht ausreichend bekämpft. Die Opposition richtet Vorwürfe an die Regierung. 
Ihre Vorwürfe sollen laut NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nicht wahr sein: Staatsanwältin Anne Brorhilker. | Foto: picture alliance/dpa | Oliver Berg
Ihre Vorwürfe sollen laut NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nicht wahr sein: Staatsanwältin Anne Brorhilker. | Foto: picture alliance/dpa | Oliver Berg
DPA, Hauke Rudolph

Der Kritik von Staatsanwältin Anne Brorhilker, die jahrelang als Chefin der Anklage in Sachen Cum-Ex-Steuerbetrügereien fungierte und ihren Job kürzlich gekündigt hat, beschäftigt jetzt auch die Politik. Nordrhein-Westfalen Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) wies den Vorwurf der Opposition (bestehend aus SPD, FDP und AfD) zurück, Brorhilker sei nicht ausreichend unterstützt worden. Mit vier zusätzlichen Dezernenten-Stellen für Staatsanwälte sei ihrem Wunsch nach mehr Personal voll entsprochen worden. Die Stellen seien sogar noch schneller besetzt worden als zugesagt.



”Ich empfinde es als zutiefst bedauerlich, dass Frau Brorhilker uns verlässt”, sagte Limbach im Rechtsausschuss des Landtags. Dies sei aber die Freiheit eines jeden Einzelnen und damit auch die eines Staatsanwalts. Für die Justiz sei dies zweifellos ein großer Verlust und auch bedauerlich für die Cum-Ex-Ermittlungen. 

Brorhilker hatte die politische Aufarbeitung des milliardenschweren Steuerskandals kritisiert. Sie sei nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt werde. Steuerdiebstähle seien längst nicht gestoppt, es gebe Cum-Ex-Nachfolgemodelle.

Cum-Ex: Chefermittlerin Anne Brorhilker wirft hin

Die Staatsanwältin hatte sich für eine zentrale bundesweite Behörde zur Bekämpfung von Finanzkriminalität ausgesprochen. Sie selbst will sich künftig als Geschäftsführerin der Nichtregierungsorganisation ”Bürgerbewegung Finanzwende” für den Kampf gegen Finanzkriminalität einsetzen.

Durch den Cum-Ex-Betrug mit illegalen Aktiendeals, der seine Hochphase von 2006 bis 2011 hatte, wurde der deutsche Staat schätzungsweise um einen zweistelligen Milliardenbetrag geprellt. Dabei wurden Papiere mit (”cum”) und ohne (”ex”) Dividendenansprüche in kurzer Zeit zwischen Finanzakteuren hin- und hergeschoben. Am Ende erstattete der Fiskus Banken, Aktienhändlern und Beratern unwissentlich Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren.

Neuer Ermittler

Neuer Chefermittler für die Cum-Ex-Steuerbetrugsfälle mit Aktiengeschäften und damit Nachfolger von Anne Brorhilker wird der Kölner Oberstaatsanwalt Tim Engel. Der 50-Jähriger ist wie Brorhilker Hauptabteilungsleiter für Wirtschaftskriminalität bei der Staatsanwaltschaft Köln. Er wird nun einen Monat von Brorhilker bis zu deren Ausscheiden eingearbeitet.

Mit dem Themenkomplex Cum-Ex hat sich Nachfolger Engel bereits im NRW-Justizministerium intensiv befasst, wo er zwischen Januar 2020 und Februar 2023 für das Sachgebiet Wirtschaftsstrafrecht zuständig gewesen war.

In rund 120 Cum-Ex-Ermittlungsverfahren wurde in Köln unter Brorhilkers Führung gegen 1700 Beschuldigte ermittelt. Die Kölner Staatsanwaltschaft ist bundesweit federführend bei der Aufarbeitung des Skandals, der als größte Steuerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik gilt.

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