Chef der Schweizer Nationalbank kündigt überraschend Rücktritt an

Im September will sich Thomas Jordan aus dem Amt verabschieden. Die Verantwortlichen des Bankrats trifft er auf dem falschen Fuß.
Thomas Jordan. | Foto: picture alliance/KEYSTONE | ANTHONY ANEX
Thomas Jordan. | Foto: picture alliance/KEYSTONE | ANTHONY ANEX
Reuters

Der Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), Thomas Jordan, nimmt überraschend seinen Hut. Nach über zwölf Jahren im Amt wird Jordan Ende September seinen Posten abgeben, wie die Notenbank mitteilte. ”Nach der Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen der letzten Jahre ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, von meinem Amt zurückzutreten”, erklärte der 61-Jährige in der Mitteilung. In seine bewegte Amtszeit fielen unter anderem der Kampf gegen einen zu starken Franken, Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der Untergang der Credit Suisse. Zur Nachfolge äußerte sich die SNB vorerst nicht.

Allseits Bedauern

Der Bankrat bedauerte den Entscheid. ”Dank den gezielten organisatorischen und personellen Verstärkungen der letzten Jahre ist die Nationalbank bestens gerüstet, um ihre wichtigen Aufgaben in der Zukunft zu meistern”, erklärte die Präsidentin des Aufsichtsgremiums, Barbara Janom Steiner. Auch von unabhängiger Seite bekam der unter anderem an der US-Eliteuniversität Harvard ausgebildete Ökonom Lob. ”Er hat hervorragende Arbeit geleistet und wird sehr schwer zu ersetzen sein”, sagte Karsten Junius, Ökonom bei J. Safra Sarasin. ”Aber vielleicht ist das Ende seiner Ära auch eine Chance, die Entscheidungsfindung bei der SNB zu erweitern.” Jordan musste sich wiederholt gegen Vorwürfe wehren, dass er bei den Entscheidungen der SNB eine zu dominante Rolle spiele.

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Vor allem für die Handhabung des Credit-Suisse-Untergangs musste die SNB Kritik einstecken, weil sie zu spät auf die sich ausbreitende Krise bei der Großbank reagiert habe. Recherchen und Gespräche der Nachrichtenagentur Reuters mit über zwei Dutzend Personen ergaben, wie uneins und zögerlich die SNB, die Schweizer Finanzmarktaufsicht und die Regierung agierten. Als es zum Showdown kam, waren sie eigentlich immer noch mangelhaft auf den Niedergang vorbereitet. Zum Schluss gab es nur noch eine Option - den Verkauf der Credit Suisse an den Branchenprimus UBS, unterstützt durch staatliche Garantien von mehr als 200 Mrd. Franken.

Folgt nun eine Frau nach?

Jordan hat Vorwürfe an die Adresse der Notenbank für die Handhabung der Krise indes wiederholt zurückgewiesen. Ob die Kritik eine Rolle bei seinem Rücktrittentscheid spielte, blieb zunächst unklar. Als ein möglicher Nachfolger für Jordan als Direktoriumspräsident gilt sein Stellvertreter und Zögling Martin Schlegel. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Andrea Maechler zur SNB zurückkehrt. Die erste Frau im SNB-Direktorium schied 2023 aus und wechselte zur Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, nachdem sie bei der Ernennung von Jordans Stellvertreter übergangen worden war. SNB-Direktoriumsmitglieder werden vom Bankrat nominiert und auf dessen Vorschlag hin von der Regierung ernannt. In dem elfköpfigen Rat sitzen neben Wirtschaftsvertretern auch Politiker und Wissenschaftler.

”Sehr schweizerisch”

Der aus dem Kanton Bern stammende Jordan war 1997 in die SNB eingetreten und wurde 2007 Mitglied des Direktoriums. 2012 übernahm er die Leitung der Notenbank von Philipp Hildebrand, der als Folge von umstrittenen Devisenmarkt-Transaktionen seiner damaligen Frau zurücktreten musste. Jordan hob sich im Stil deutlich vom international ausgerichteten ehemaligen Hedgefonds-Manager Hildebrand ab, der die große Bühne suchte. ”Thomas Jordan ist sehr schweizerisch - er ist sehr kompetent, aber auch sehr bescheiden. Er kennt die SNB von hinten bis vorne, er kennt sich wirklich aus, aber er ist überhaupt nicht arrogant”, beschrieb ein Schweizer Ökonom den Notenbankchef. Im Jahr 2020 wurde Jordan von der Schweizer Regierung für eine weitere Amtszeit bis 2027 ernannt. Mit einem Gesamtgehalt von 1,35 Mio. Franken im Jahr 2022 dürfte er weltweit zu den bestbezahlten Notenbankern gehören.

Fleißiger Technokrat

Der Wirtschaftsprofessor galt weithin als Inbegriff eines fleißigen Technokraten. Gleichzeitig scheute er sich nicht, große und manchmal unpopuläre Entscheidungen zu treffen. 2015 löste die Aufhebung der Anbindung des Frankens an den Euro heftige Turbulenzen an den Devisenmärkten aus. Nachdem die SNB jahrelang gegen eine weitere Erstarkung des für die Exportindustrie schädlichen hohen Frankenkurses vorgegangen war, schwenkte die Notenbank nach der Coronakrise verstärkt auf die Bekämpfung der Inflation um. Die SNB half mit, den Preisanstieg in der Schweiz deutlich geringer zu halten als in anderen Teilen der Welt.

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