Der Gamestop-Effekt wird für Robinhood zur Herausforderung

Robinhood bekommt eine Milliarden-Spritze von Investoren und verhandelt über neue Kredite - um den Neukunden-Sturm aus dem Gamestop-Hype zu stemmen. Das US-Fintech, das zwar für die Demokratisierung des Aktienhandels wirbt, aber auch eng mit Hedgefonds zusammenarbeitet, stößt damit an die Grenzen seines Geschäftsmodells.
Die App von Robinhood | Foto: picture alliance / NurPhoto | Jakub Porzycki
Die App von Robinhood | Foto: picture alliance / NurPhoto | Jakub Porzycki

Die Woche startet mit einem Geldregen: Robinhood hat gerade 3,4 Mrd. Dollar von Investoren eingesammelt, "um das Kundenwachstum zu steigern", wie es in einer Mitteilung des US-Fintech heißt. Die Geldspritze wurde notwendig, weil sich der Neobroker in der vergangenen Woche plötzlich im Auge des GameStop-Sturms wiederfand.

Weil Kleinanleger in Massen dem Börsen-Phänomen folgten, bei dem sich Kunden über das Reddit-Forum "wallstreetbets" zum Kauf illiquider Aktien verabredeten, hatte Robinhood den Kauf von gehypten Aktien wie Gamestop gestoppt, Verkäufe waren dagegen weiterhin zugelassen. Die Handelseinschränkungen wurden bislang - trotz massiver Kritik von Kunden - nicht aufgehoben.

Schutz vor Marktvolatilität

Robinhood begründet den Schritt mit der "anhaltenden Marktvolatilität", also den besonders stark schwankenden Kursen. Die Anforderung, die man als Broker erfüllen müsse "einschließlich SEC-Nettokapitalverpflichtungen und Clearinghouse-Einlagen" hätten zu dem Handelsstopp geführt.

"Es gibt eine Menge verwirrender Informationen da draußen, und während wir versucht haben, Klarheit zu schaffen, so gut wir können, wollen wir dass ihr Sie direkt von uns hört. Einfach ausgedrückt, Robinhood hat den Kauf von volatilen Wertpapieren eingeschränkt, um sicherzustellen, dass es die Einlagenvorschriften einhält", heißt es in einem aktuellen Statement des Brokers. 

In solchen Marktphasen müssen Broker mehr Geld bei ihren Clearingstellen hinterlegen, die den Handel absichern. Das soll vor der Pleite eines Marktteilnehmers schützen und sicherstellen, dass das System nicht zusammen bricht. Robinhood-Chef Vlad Tenev hatte am Sonntag erklärt, die zuständige Clearingstelle habe angesichts erhöhter Schwankungen Sicherheiten von drei Milliarden Dollar verlangt.

Kreditlinien werden ausgeweitet

Parallel stockt das Fintech auch seine Kredite auf: "Mehrere hundert Millionen Dollar" soll Robinhood bereits in der vergangenen Woche über eine Kreditlinie mit JP Morgan, Goldman Sachs, Morgan Stanley, Barclays und Wells Fargo bekommen haben. Aktuell wird laut Presseberichten über einen weiteren Milliarden-Kredit verhandelt.

Robinhood gilt als eines der wertvollsten Fintechs der Welt. Über App und Webseite können Aktien, ETFs, Optionen und Kryptowerte gehandelt werden. Das 2013 gegründete Unternehmen war seit der letzten Finanzierungsrunde im Juli 2019 7,6 Mrd. US-Dollar wert. Das bis dato investierte Risikokapital liegt bei 900 Millionen US-Dollar. Den für 2020 geplanten Europastart, der in Großbritannien erfolgen sollte, hatte das Unternehmen unlängst "auf unbestimmte Zeit" auf Eis gelegt. 

Margin-Konten belasten das Fintech zusätzlich

Dass Robinhood so massiv Geld aufnehmen muss, liegt aber wohl auch daran, dass der Broker Kunden Aktien "on margin" kaufen lässt, also quasi auf Pump - Robinhood finanziert den Trade vor.

Nach eigenen Aussagen will das Fintech mit der Finanzierungsrunde weiter in das "Rekord-Kundenwachstum" investieren, wozu auch schon die am 29. Januar bekannt gegebenen Finanzierungsrunde in Höhe von eine Milliarde Dollar beitragen sollte. Die frischen 3,4 Milliarden Dollar kommen von einer Investorenrunde um Ribbit Capital, mit Beteiligung von bestehenden Investoren wie Iconiq Capital, Andreessen Horowitz, Sequoia, Index Ventures und NEA.

"Diese Finanzierungsrunde wird uns helfen, das unglaubliche Wachstum, das wir gesehen haben, und die Nachfrage nach unserer Plattform zu bewältigen", heißt es von Jason Warnick, CFO von Robinhood in einer Mitteilung. "Wir sind begeistert von der Resonanz unserer Kunden auf unser Angebot und lassen uns von den Menschen inspirieren, die ihre finanzielle Zukunft selbst in die Hand nehmen."

Geschäftsmodell unter Druck

Dass Robinhood den Aktienankauf von Gamestop & Co. ausgesetzt hat, könnte aber noch andere Gründe haben - die im Geschäftsmodell des US-Neobroker liegen.

Zwar setzen vor allem jungen Kunden auf Neobroker wie Robinhood, weil sie einen schnellen und unkomplizierten in den Aktienhandel mit kleinem Geld bieten. Ihr Versprechen der "Demokratisierung" der Finanzmärkte folgt dabei angeblich der gleichen Intention, die auch die Kleinanleger im Reddit-Forum antreibt, wenn sie sich verabreden, um gezielt in Aktien einzusteigen, auf die Hedgefonds und Shortseller ein Auge geworfen haben. Die Reddit-Crowd will die Wetten der Großen auf die Kursentwicklung der entsprechenden Werte platzen lassen.

Hinter Robinhood stehen die Hedgefonds

Nun arbeitet Robinhood aber ausgerechnet mit genau diesen Marktteilnehmern zusammen. Neben Handelsplätzen und Hedgefonds sind unter den institutionellen Partnern auch Hochfrequenzhändler, die in Sekunden auf Marktbewegungen reagieren können. Robinhood verkauft Daten seiner Kunden an diese Partner weiter und verschafft diesen so einen Informationsvorsprung. Dafür kassiert das Fintech eine Provision.

Der Hedgefonds Citadel allein soll für bis zu 40 Prozent der Robinhood-Umsätze verantwortlich sein. Beobachter vermuten daher, dass nicht nur regulatorische Erwägungen Grund für den die Unterbrechung der Gamestop-Käufe bei Robinhood gewesen ist, sondern dass Hedgefonds Druck auf das Fintech ausgeübt haben könnten, um die Keinanleger-Welle zu brechen. Citadel dementierte bereits in einer Stellungnahme in entsprechende Entscheidung involviert gewesen zu sein.

Gamestop-Aktionäre mussten in den vergangen Tagen Verluste hinnehmen. Am Montag fiel der Aktienkurs des Videospiel-Händlers um fast ein Drittel, am Dienstagmorgen setzte sich dieser Trend fort.

Rechtliche Konsequenzen aus dem Handelsstopp

In den USA drohen Robinhood nun bereits rechtliche Konsequenzen aus dem Handelsstopp. Wie Bloomberg berichtete wurden am vergangenen Donnerstag in Manhattan und Chicago bereits Klagen gegen das Fintech auf den Weg gebracht, weil sich die Kleinanleger um die Chance gebracht sahen, in die Gamestop-Aktie zu investieren.

Auch die US-Börsenaufsicht SEC schaut sich bereits genauer an, ob es manipulative Handelsaktivitäten gegeben hat und richtete für Beschwerden der Anleger ein Onlineformular ein, Betroffenen können sich auch per Email oder an die Telefon-Hotline sie wenden.

Es ist nicht das erste Mal, dass Robinhood ins Visier der SEC gerät: Der US-Börsenaufseher drohte dem Online-Broker bereits mit einer Geldstrafe von über 10 Mio. Dollar, weil dass Fintech beim Verkauf von Orderflows an Hochfrequenzhändler überdurchschnittlich hohe Preise kassiert haben soll.

In Deutschland setze Trade Republic den Handel aus

Auch wenn den Vergleich nahe liegt: Beim deutschen Neobroker Trade Republic, der am vergangenen Donnerstag ebenfalls den Handel mit Gamestop-Aktien und anderen Titeln aussetze, liegen die Dinge etwas anders.

Denn zum einen sind wesentliche Teile des Robinhood-Geschäftsmodells in Deutschland nicht möglich.  So würde etwa ein erkaufter Informationsvorsprung hierzulande als Insiderhandel gewertet werden. Anders als der US-Konkurrent agiert Trade Republic als Wertpapierhandelsbank mit deutscher Banklizenz und voller Regulierung durch Bundesbank und BaFin.

Zum anderen sollen bei Trade Republic vor allem IT-Probleme zu dem kurzzeitigen Stopp geführt haben, der bereits am Freitagmorgen wieder aufgehoben wurde. 

Da hatte die BaFin schon ein Auge auf die Vorgänge geworfen: "Wir haben Trade Republic mit Nachdruck darauf hingewiesen, die aufsichtsrechtlichen Anforderungen einzuhalten und Kunden sämtliche Dienstleistungen dem Aufsichtsrecht entsprechend und störungsfrei zur Verfügung zu stellen", so eine Sprecherin am Freitag zu FinanzBusiness.

Zwar begründete Trade Republic das Aussetzen des Handels zunächst offiziell mit dem Schutz der Kunden, räumte später aber auch die technischen Probleme des Handelspartners LS Exchange ein.

Trade Republic ermöglicht wieder Handel mit Aktien von Gamestop & Co 

Trade Republic verschluckt sich an Gamestop & Co. 

Jetzt teilen

Zum Newsletter anmelden

Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen Ihrer Branche.

Newsletter-Bedingungen

Die jüngsten FinanzBusiness-Artikel

Die GLS Bank ist bislang die einzige Bank, die Debitkarten aus Holz standardmäßig ausgibt. | Foto: GLS Bank

Zweifel an Nachhaltigkeit der neuen Genossen-Holzkarte

Für Abonnenten

Lesen Sie auch