Banken setzen auf Prävention, wenn Grenzen zu verschwimmen drohen

Die Corona-Pandemie bedingt lange Zeiten im Homeoffice. Banken entwickeln deshalb - auch virtuelle - Angebote zur Unterstützung der psychischen Gesundheit der Belegschaft, damit sich Grenzen zwischen Arbeit und Privatem nicht auflösen.
Foto: picture alliance / Zoonar | Max
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Vorbemerkung: Dieser Text beschäftigt sich mit Depressionen und Suizid. Betroffene oder Menschen, die das potentiell belastet, sollten eventuell nicht weiterlesen.

Bereits zum zweiten Mal innerhalb von sieben Jahren gab es im vergangenen Dezember auf dem Gelände der Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg einen Selbstmord. 2013 war es eine Praktikantin, dieses Mal eine Back-Office-Assistentin.

Psychologen und Personalvertreter warnen laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, das Klima in der Bank sei seit einigen Jahren getrübt. Mobbing und Belästigung seien demnach ein wiederkehrendes Thema.

Das öffentlich-rechtliche Kreditinstitut und wichtigster Finanzierungsarm der Europäischen Union wurde 1958 gegründet. Anteilseigner sind die 27 Mitgliedsstaaten. Hunderte Milliarden Euro wurden seither über die Bank unter anderem in Projekte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ausgereicht. Aber auch außerhalb der EU werden Vorhaben finanziert, im Einklang mit den Zielen der Förderbank, welche unter anderem die Ziele der EU-Politik unterstützt.

Aktuell ist die Bank mit ihren rund 3400 Beschäftigten zentraler Akteur bei der Bereitstellung des milliardenschwere Covid-19-Aufbaupakets der EU.

Gebäude der Europäischen Investitionsbank | Foto: picture alliance/dpa | Horst Galuschka
Gebäude der Europäischen Investitionsbank | Foto: picture alliance/dpa | Horst Galuschka
Auch wenn es laut einem Antwortschreiben der Bank an die Nachrichtenagentur Bloomberg keine Beweise gibt, dass die Todesfälle mit arbeitsbezogenen Problemen in Verbindung stehen, zieht die europäische Institution nun Konsequenzen und plant in diesem Frühjahr eine "psychosoziale Risikobewertung" ihrer Angestellten.

Jede vierte deutsche Person leidet an psychischer Erkrankung

In Deutschland leiden jedes Jahr laut der Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (DGPPN) 27,8 Prozent der erwachsenen Bevölkerung an einer psychischen Erkrankung, Tendenz steigend. Nur 18,9 Prozent davon nehmen Kontakt zu Leistungsanbietern auf.

Welche Möglichkeiten haben Angestellte deutscher Bankinstitute bei psychischen Belastungen am Arbeitsplatz? Welche Hilfsprogramme gibt es?

Das Thema ist für alle Beteiligten sensibel. Mehrere angefragte Institute wollten sich offiziell im Gespräch mit FinanzBusiness nicht zu internen Maßnahmen und Regelungen äußern.

Mit Blick auf den Förderauftrag ist das nationale Pendant der EIB in Deutschland die KfW. Die staatliche Förderbank teilt auf Anfrage von FinanzBusiness mit: "Gesundheit und damit auch die mentale Gesundheit spielt für die KfW eine große Rolle. Es gibt eine telefonische Hotline 24/7 an 365 Tagen und an allen Standorten Sozialberater, auf die die Mitarbeiter und Führungskräfte mit folgenden Themen zugehen können."

Die Aufzählung der Unterstützungsmöglichkeiten, die die KfW mitteilt, umfassen dabei nicht nur Probleme am Arbeitsplatz: Sowohl arbeitsbezogene (Konflikte, Mobbing, Kündigung), gesundheitliche (Angst, Burnout, Depression, Sucht) und familiäre (Finanzielles, Trennung, Krankheit, Ehe/Partnerschaft) Themen, aber auch Krisenintervention (Suizid, Todesfälle, schwere Erkrankungen, Bedrohungen) und Recherche (Psychotherapieplätze, Fachärzte) werden demnach abgedeckt.

Gesonderte Betreuung bei Auslandsentsendungen

Neben der Hotline und den persönlichen Beratungen für psychosoziale Aspekte biete die KfW zudem Webinare, Vorträge, Gesundheitstage und ein großes Angebot an Betriebssport an.

Da die KfW aber nicht nur im Inland agiert, gibt es im Ausland gesonderte Programme, teilte die Förderbank FinanzBusiness mit: "Für KfW Mitarbeiter mit ständigen oder projektbezogenen Aufenthalten in fragilen Staaten im Ausland wurde ein psychologisches Betreuungskonzept erarbeitet, um diese im Vorfeld zu den zu erwartenden Belastungen (Armut, Waffenpräsenz, mögliche Terroranschläge) zu sensibilisieren."

Eine weitere Institution, die sich auf Anfrage von FinanzBusiness äußert, ist die Europäische Zentralbank: "Unser virtuelles Zentrum für Wohlbefinden bündelt eine große Menge an relevanten Informationen und Hilfen an einem Ort. Es bietet offene und maßgeschneiderte Webinare, die von unseren Sozialberatern und medizinischen Beratern abgehalten werden, vermehrte Schulungen für alle Mitarbeiter zu Themen wie Stressmanagement oder "in Verbindung bleiben" und für Führungskräfte, wie man psychische Probleme erkennt und darauf reagiert, Hotlines, Links zu alten und neuen Netzwerken sowie Links zu aktuellen Artikeln und zum Wohlfühl-Podcast."

Corona erzeugt höhere Belastung

Die psychische Gesundheit von Angestellten rückt jüngst auch vor dem Hintergrund der Belastungen der Corona-Pandemie stärker in den Fokus. Sorgen vor Erkrankung, Existenzängste, eine höhere Belastung, veränderte Arbeitsabläufe und Isolation sind nur einige Beispiele, die in verschiedenen Befragungen bei Arbeitnehmern während des vergangenen Jahres genannt wurden.

"Wir legen auch Wert darauf, Führungskräfte in ihrer Rolle zu stärken, Teams zusammenzuhalten und den Kollegen zu helfen, in dieser akuten Phase multipler Herausforderungen die Balance zu halten und trotz sozialer Distanzierungsregeln verbunden zu bleiben", heißt es von der EZB weiter zu FinanzBusiness.

Nicht zuletzt das Arbeiten aus dem Homeoffice führt dazu, dass Angestellte länger arbeiten, die Work-Life-Balance häufig nicht mehr im erforderlichen Maße gegeben ist. Laut einer während des ersten Lockdowns, im Frühjahr 2020 durchgeführten Studie der Technischen Universität Chemnitz in Kooperation mit der Technischen Krankenkasse, empfinden 60 Prozent der Befragten, die von Zuhause arbeiten, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Privatem verschwimmen und 27 Prozent empfinden dies als Belastung.

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Davor warnte auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde: "Wir müssen uns vor dem absoluten Enthusiasmus für Telearbeit und alles von zu Hause aus zu machen hüten, denn ich denke, das wirft Fragen über die Bildung einer Gemeinschaft auf, worum es bei der Arbeit ja auch geht." Das sagte sie vor einigen Tagen in einer Rede und die Notenbank verwies auf Nachfrage von FinanzBusiness auf das Statement.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde | Foto: picture alliance / AA | Olivier Matthys / Pool
EZB-Präsidentin Christine Lagarde | Foto: picture alliance / AA | Olivier Matthys / Pool
"Und wir müssen uns vor dieser Work-Life-Balance hüten, die für die Vernunft der Menschen wirklich schwierig zu bewahren sein kann. Wir haben sehr auf die Gesundheit und die psychische Gesundheit der Menschen geachtet, wenn sie aus der Ferne arbeiten und keine Grenzen kennen", so Lagarde weiter.

Bei der EIB soll nach Abschluss der Risikobewertung außerdem in diesem Jahr noch ein Plan zur psychischen Gesundheit, einschließlich eines Suizidpräventionstrainings eingeführt werden.

Beratung für Suizidgefährdete und deren Angehörige gibt es beispielsweise bei der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention, der Telefonseelsorge, bei AGUS (Angehörige um Suizid), dem Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe.

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