ING Deutschland denkt über Strafzinsen für Neukunden nach

Die Bank passt ihre Strategie den Kosten an: Neukunden ja, aber nicht um jeden Preis, heißt es jetzt. Auch Negativzinsen werden nicht mehr ausgeschlossen.
Nick Jue, Vorstandschef der ING Deutschland | Foto: ING
Nick Jue, Vorstandschef der ING Deutschland | Foto: ING
DPA, Tamara Weise

Die Direktbank ING Deutschland hat ihr zweites Quartal mit einem Gewinneinbruch beendet, jetzt denkt ihr Finanzvorstand über Strafzinsen für Neukunden nach.

"Derzeit haben wir keine konkreten Pläne, ein Verwahrentgelt für unsere Bestandskonten einzuführen", sagte Finanzvorstand Norman Tambach im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. "Wir beobachten die Marktentwicklung aber sehr genau und sehen, dass immer mehr Banken ein Verwahrentgelt für Neukonten einführen. Dementsprechend bereiten wir uns vor, auf diese Marktentwicklungen zu reagieren."

Niederländische ING mit Gewinneinbruch im zweiten Quartal

Geschäftsbanken müssen aktuell 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie überschüssige Gelder bei der Europäischen Zentralbank (EZB) parken. Auch wenn es inzwischen Freibeträge für bestimmte Summen gibt, bleibt dies für die Branche eine Milliardenbelastung.

Die Kosten geben immer mehr Geldhäuser weiter und berechnen Kunden Negativzinsen - teilweise schon ab dem ersten Euro. Nach Recherchen des Finanzportals Biallo haben Ende Juni deutschlandweit 250 Banken von ihren Kunden Negativzinsen oder Verwahrentgelte für Guthaben erhoben – ein Jahr zuvor zählte Biallo 30.

Strafzinsen bei 250 Banken teils schon ab 5000 Euro

Wertpapiersparen ab 1 Euro

Um Kunden eine Alternative zu derzeit mager verzinsten Tagesgeld- und Sparkonten zu bieten, macht die ING Deutschland ein neues Angebot für die Anlage in Aktien und Fonds.

"Wir wollen unseren Kunden den Einstieg in das Wertpapiersparen so einfach wie möglich machen und schaffen deshalb den Mindestbetrag für alle Wertpapiersparpläne ab", kündigte Vorstandschef Nick Jue an. "Ab 1. November bieten wir alle unsere Wertpapiersparpläne ab einem Euro Monatsrate an. Unsere Kunden haben es damit selbst in der Hand, welchen Betrag sie regelmäßig in Wertpapiere investieren möchten."

Jahrelang lockte die Direktbank unter dem Namen ING-Diba Kunden mit vergleichsweise hohen Zinsen. Doch im aktuellen Zinstief kosten Einlagen Geld. Darum bemüht sich das Institut, das seit November 2018 nur noch unter dem Namen des niederländischen Mutterkonzerns ING auftritt, mit ihren Kunden jeweils mehr Geschäft zu machen.

10 Mio. Privatkunden? Das Ziel wird verschoben

"Es geht uns um eine engere Verbindung mit den Kunden. Wir brauchen profitables Wachstum, darum setzen wir jetzt voll auf Hausbankkunden", bekräftigte Jue. Die Zahl der Hausbankkunden habe im ersten Halbjahr um 200.000 auf mehr als zwei Mio. zugenommen. Das sind Kunden, die nicht nur Geld bei dem Institut parken, sondern für Provisionseinnahmen sorgen - etwa über Baufinanzierung, Verbraucherkredite oder Wertpapiersparen.

Für diesen Kurs macht Jue erneut Abstriche bei einem ehrgeizigen Ziel: Die Marke von zehn Millionen Privatkunden wird das in Deutschland und Österreich aktive Institut nach Einschätzung des Managements auch in diesem Jahr nicht knacken. Jue hatte dieses Ziel für 2019 ausgegeben und dann auf 2020 verschoben.

"Das Schöne ist: Wir wachsen noch immer - trotz neuer Gebühren. Das Ziel von zehn Millionen Kunden ist für uns weniger wichtig geworden, auch wenn ich das weiterhin gerne erreichen möchte", sagte der Vorstandschef jetzt im dpa-Interview.

Weniger Neukunden im laufenden Jahr

Nach Jahren der Expansion stockt das Kundenwachstum. In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres konnten unter dem Strich 33.000 zusätzliche Privatkunden gewonnen werden. Im ersten Halbjahr 2019 waren es 150.000, im vergangenen Jahr insgesamt 215.000.

"Wir werden im Gesamtjahr möglicherweise weniger neue Kunden gewinnen als im vergangenen Jahr, aber ich erwarte, dass das Wachstum auch im zweiten Halbjahr weitergehen wird", prognostizierte Jue für 2020. Aktuell liege die Zahl der Privatkunden bei etwas über 9,6 Millionen.

Gebühren für Geldparker

Ein möglicher Grund für die Zurückhaltung: Die Direktbank schaffte das kostenlose Girokonto ohne Vorbedingungen ab. Seit Mai verlangt das Institut 4,90 Euro pro Monat von Kunden, die ein ING-Girokonto nur zum Geldparken nutzen.

Erforderlich ist nun ein monatlicher Geldeingang von mindestens 700 Euro. "Wir haben einige inaktive Kunden verloren, die ihre Kontoverbindung gelöscht haben. Die große Welle war das nicht", sagte Jue.

Mit dem Abschneiden der ING Deutschland im ersten Halbjahr, das in weiten Teilen von der Corona-Krise geprägt war, zeigten sich Jue und Tambach zufrieden. "Wir haben immer noch gute Einnahmen und unsere Kosten unter Kontrolle - insgesamt sind wir zufrieden mit dem ersten Halbjahr", sagte Jue.

Wirecard-Pleite lässt Risikovorsorge steigen

Die Provisionseinnahmen konnte das Institut auf 232 (Vorjahreszeitraum: 146) Mio. Euro steigern. Vor Steuern kam die ING Deutschland im ersten Halbjahr auf 394 Mio. Euro Gewinn - nach 651 Mio. Euro ein Jahr zuvor.

Die Risikovorsorge für mögliche Kreditausfälle schnellte deutlich auf 241 Mio. Euro nach oben - maßgeblich wegen der Rolle der Direktbank als Kreditgeber für die nach einem Bilanzskandal inzwischen aus dem Dax geflogene Wirecard.
 Jaffé legt Insolvenzbericht zu Wirecard vor
Nach sechs Rekordjahren in Folge hatte sich das Wachstum schon 2019 abgeschwächt: Der Vorsteuergewinn der ING Deutschland, die etwa ein Fünftel zum Ergebnis der ING-Gruppe beiträgt, legte zum Vorjahr um zwei Prozent auf knapp 1,4 Mrd. Euro zu, der Überschuss erhöhte sich im Gesamtjahr um ein Prozent auf 898 Mio. Euro.

Dieser Beitrag hat Ihr Interesse geweckt: Melden Sie sich hier für unseren kostenlosen Newsletter an.

Jetzt teilen

Zum Newsletter anmelden

Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen Ihrer Branche.

Newsletter-Bedingungen

Die jüngsten FinanzBusiness-Artikel

Deutliche Unterschiede sind erkennbar: Rechts die Blüte und links der echte Geldschein. | Foto: picture alliance/dpa | Christian Charisius

Deutlich mehr Falschgeld im Umlauf

Lesen Sie auch