Corona trifft die deutsche Wirtschaft härter als gedacht

Die "Wirtschaftsweisen" schrauben ihre Konjunkturprognose nach unten: Die deutsche Wirtschaftsleistung wird dieses Jahr wohl um mehr als sechs Prozent zurückgehen - stärker als im Krisenjahr 2009. Doch es gibt auch einen Hoffnungsschimmer.
Lars Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrats | Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa
Lars Feld, Vorsitzender des Sachverständigenrats | Foto: picture alliance/Bernd von Jutrczenka/dpa
dpa

Der Konjunkturabsturz im Corona-Jahr 2020 wird heftig - darin sind sich Volkswirte einig. Auch die "Wirtschaftsweisen", die die Bundesregierung beraten, müssen ihre Prognose nach unten korrigieren.

An diesem Dienstag (23.6., 12.00 Uhr) veröffentlicht der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung seine überarbeiteten Schätzungen für die Jahre 2020 und 2021.

Die entscheidenden Fragen: Wann erholt sich Europas größte Volkswirtschaft von der tiefsten Rezession der Nachkriegsgeschichte? Und was tragen die milliardenschweren staatlichen Hilfspakete für Unternehmen und Verbraucher dazu bei?

Ende März hatte der Sachverständigenrat es als wahrscheinlichstes Szenario angenommen, dass es einen fünfwöchigen "Lockdown" gibt und anschließend die Einschränkungen für Unternehmen und Konsumenten wieder gelockert werden. Für diesen Fall war das Gremium davon ausgegangen, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr um 2,8 Prozent schrumpfen würde. Für den schlimmsten Fall unterstellten die "Wirtschaftsweisen" ein Minus von 5,4 Prozent.

Industrie auf dem Tiefpunkt

Doch es kam schlimmer als erwartet: Die Industrieproduktion sackte auf den tiefsten Stand seit über 20 Jahren, für die Exportwirtschaft brachte der April Horrorzahlen. Der Inlandstourismus kam zeitweise fast komplett zum Erliegen, das Gastgewerbe kämpft nach Einschätzung des Branchenverbandes Dehoga ums Überleben. Etliche Ökonomen rechnen für das Gesamtjahr mit einem deutlichen Anstieg der Firmenpleiten.

Der Vorsitzende des Sachverständigenrats, Lars Feld, hatte schon Ende Mai eine Überarbeitung der Prognose angekündigt. "Der Lockdown hat länger gedauert, und die Außenwirtschaft wird härter getroffen als erwartet. Vor allem im Hinblick auf die USA waren wir deutlich zu optimistisch", sagte der Freiburger Wirtschaftsprofessor jüngst. "Wir haben in diesem Jahr einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts zu erwarten, der voraussichtlich zwischen minus 6 Prozent und minus 7 Prozent liegen wird."

"Wirtschaftsweise" korrigieren Konjunkturprognose nach unten

Sicher ist: Deutschland steuert auf die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg zu. Die Bundesregierung erwartet für das laufende Jahr 6,3 Prozent Rückgang bei der Wirtschaftsleistung, die Bundesbank rechnet mit minus 7,1 Prozent, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ging Mitte Mai gar von "mindestens zehn Prozent" Minus aus. In der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 war das deutsche BIP um 5,7 Prozent zurückgegangen.

Rettungspaket gibt Hoffnung

Im ersten Quartal 2020 schrumpfte die Wirtschaftsleistung nach Daten des Statistischen Bundesamtes zum Vorquartal um 2,2 Prozent - obwohl in dem Drei-Monats-Zeitraum von den Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus im Grunde nur der März betroffen war. Und die Erwartungen für das zweite Quartal sind düster, auch wenn mittlerweile etliche Einschränkungen wieder gelockert wurden.

Die Bundesbank konstatiert: "Insgesamt könnte die Wirtschaftsleistung im Durchschnitt des laufenden Vierteljahres um beinahe ein Zehntel und damit noch erheblich stärker zurückgehen als im ersten Quartal."

Viele Experten sind jedoch zuversichtlich, dass die deutsche Wirtschaft bereits im kommenden Jahr auf den Wachstumspfad zurückkehren wird - auch, weil der Staat Rettungspakete in historischem Umfang geschnürt hat. 130 Mrd. Euro schwer ist das Konjunkturpaket, auf das sich die schwarz-rote Koalition verständigt hat.

Große Koalition einigt sich auf Konjunkturpaket, beschließt befristete Mehrwertsteuersenkung

Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist zuversichtlich, dass Deutschland die Corona-Krise langfristig gut meistern wird. Es zeigten sich erste "Silberstreifen am Horizont", sagte der CDU-Politiker dem Nachrichtenportal "t-online".

"Wir tun alles, damit es ab dem letzten Quartal 2020 eine Trendumkehr geben wird." Es werde aber aller Voraussicht nach noch bis ins Jahr 2022 dauern, "bis wir die Verluste kompensiert und die alte wirtschaftliche Stärke erreicht haben".

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