Die deutsche Inflationsrate ist im November erstmals seit mehr als 29 Jahren über die Marke von fünf Prozent gestiegen. Waren und Dienstleistungen kosteten 5,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt in einer ersten Schätzung mitteilte. Einen höheren Wert gab es zuletzt während des Wiedervereinigungsbooms im Juni 1992 mit 5,8 Prozent.
Für den erneuten Preisschub sorgte vor allem teure Energie. Von Reuters befragte Ökonomen hatten nur einen Anstieg auf 5,0 Prozent vorhergesagt. Im Oktober hatte die Inflationsrate noch bei 4,5 Prozent gelegen, im September bei 4,1 Prozent.
Chefvolkswirte sehen Höchstmarke erreicht
Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, sieht darin für die EZB ein weiteres Warnsignal und fordert nun, sie solle "den Fuß vom Gas nehmen, ihre Anleihekäufe einstellen und die Negativzinspolitik beenden".
Omikron nimmt Einfluss auf das Ende der Niedrigzinspolitik
Besorgniserregend sei, dass die Verbraucherpreise allein gegenüber Oktober saisonbereinigt ungewöhnlich kräftig um 0,6 Prozent gestiegen sind, argumentiert er. "Außerdem legen die Preise mittlerweile auf breiterer Front zu, es geht nicht mehr nur um Energie und einige besonders von Corona betroffene Güter. Zwar dürfte die Inflation wegen des Wegfalls einiger Sonderfaktoren nach der Jahreswende wieder sinken. Aber wegen der hohen Haushaltsdefizite und der EZB-Anleihekäufe gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf."
Ähnlich sieht es Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. "Beim Blick auf die Inflationsrate könnte es einem fast schwindelig werden", sagte er der Nachrichtenagentur und erklärte: "Der ganze Mix aus Basiseffekten, höheren Energiepreisen, geringerem Mehrwertsteuersatz im Vorjahr und die Materialknappheiten manifestieren sich nun in dieser hohen Inflationsrate." Mit einem Abflauen rechnet er - anders als Krämer - bereits im Dezember.