Experte: EY-Prüfberichte zu Wirecard könnten bald eingesehen werden

Wie konnten die Wirtschaftsprüfer von EY nur so lange die Lücken in den Bilanzen von Wirecard übersehen? Gläubiger können sich davon selbst ein Bild machen und einen Antrag auf Einsicht in die Unterlagen stellen.
Wirecard-Schriftzuf auf dem Bildschirm eines Laptops. | Foto: picture alliance/Silas Stein/dpa
Wirecard-Schriftzuf auf dem Bildschirm eines Laptops. | Foto: picture alliance/Silas Stein/dpa
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Gläubiger und Aktionäre haben unter bestimmten Voraussetzungen das Recht, die normalerweise streng geheimen Abschlussberichte von Wirtschaftsprüfern einzusehen. Das könnte im Fall Wirecard große Bedeutung haben, sagt Wirtschaftsprofessor Kai-Uwe Marten von der Universität Ulm.

Einsicht nach Paragraf 321a HGB

Seines Wissens wäre es das erste Mal, dass dieses Recht angewandt würde. Eingeführt wurde der entsprechende Paragraf 321a des Handelsgesetzbuches vor 16 Jahren infolge diverser Skandale.

"All jene, die Forderungen haben - etwa Banken und Lieferanten, in bestimmten Fällen aber auch Aktionäre - können Einsicht in die Prüfungsberichte der vergangenen drei Jahre beantragen, sobald das Insolvenzverfahren eröffnet ist", so Marten zur Deutschen Presse-Agentur.

Bei Aktionären gelte, dass sie ein Prozent des Unternehmens oder Aktien im Wert von mindestens 100.000 Euro halten müssten, um Zugriff auf die Berichte zu erhalten.

Die Rolle der Wirtschaftsprüfer

Seit Beginn des Skandals um Wirecard wird auch die Rolle der Wirtschaftsprüfer - in diesem Fall des Unternehmens EY mit Sitz in Stuttgart - hinterfragt.

Martens, Fachmann für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung, nimmt die Prüfer in Schutz. "Es ist ein großer Unterschied, ob man eine normale gesetzliche Abschlussprüfung durchführt oder gezielt nach Betrug sucht", erklärt er. EY habe lediglich den Auftrag gehabt zu prüfen, ob der Konzernabschluss von Wirecard mit den gesetzlichen internationalen Rechnungslegungsstandards übereinstimme.

An einer Sonderprüfung, wie KPMG sie dann im Fall Wirecard durchgeführt habe, seien Fachleute für Betrug wie beispielsweise ehemalige Kriminalkommissare und Finanz-Forensiker beteiligt, sagte Marten.

"Der Abschlussprüfer hingegen kann zwar Experten hinzuziehen, er hat aber nicht das Recht, Unternehmen beispielsweise zu durchsuchen und Material zu beschlagnahmen. Wie dieser Fall zeigt, gelingt es unter Umständen nicht einmal bei einem sogenannten forensischen Auftrag, wie er KPMG erteilt wurde, einen Sachverhalt abschließend aufzuklären." Da kämen dann sogar nur staatliche Behörden mit ihren Ermittlungen weiter.

Sollten Betroffene Einsicht in die Berichte fordern, werde es spannend, sagte Marten. "Dann kann man sehen, was die Wirtschaftsprüfer im Fall Wirecard gemacht haben, ob es Verdachtsfälle gab und wenn ja, wie sie dem nachgegangen sind." Der Abschlussprüfer selbst dürfe darüber nur an den Aufsichtsrat des betreffenden Unternehmens berichten.

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