Aus der Corona-Krise wird die Knappheits-Krise

Der Ifo-Index fällt zum vierten Mal in Folge, vor allem Lieferengpässe machen den Unternehmen zu schaffen. Weil wegen der neuen Corona-Welle in Asien Fabriken wieder schließen, verschärft sich der Materialmangel. Ökonomen sprechen bereits von einer "Knappheitskrise".
Ifo-Präsident Clemens Fuest | Foto: picture alliance / SvenSimon
Ifo-Präsident Clemens Fuest | Foto: picture alliance / SvenSimon
Reuters/dpa

Die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Unternehmen hat sich im Oktober zum vierten Mal in Folge verschlechtert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex sank auf 97,7 Punkte von 98,9 Zählern im September, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut zu seiner Umfrage unter 9000 Führungskräften mitteilte.

Von Reuters befragte Fachleute hatten mit einem Rückgang auf 97,9 Punkte gerechnet. "Lieferprobleme machen den Firmen zu schaffen", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Kapazitätsauslastung in der Industrie sinke. "Sand im Getriebe der deutschen Wirtschaft hemmt die Erholung." Die Managerinnen und Manager beurteilten ihre Lage und die Geschäftsaussichten für die kommenden sechs Monate skeptischer als zuletzt. "Insbesondere die Erwartungen sind immer mehr von Skepsis geprägt", betonte der Ifo-Chef. Die Stimmung trübte sich erneut in der Industrie ein.

"Aus der Corona-Krise ist eine Knappheitskrise geworden", erklärte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Die Materialknappheiten lasteten schwer auf der Industrie. Hinzu kämen Preisturbulenzen an den Energiemärkten. "Die massiv gestiegenen Gas- und Strompreise werden zu einem konjunkturellen Risiko", warnte Gitzel.

Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer sieht den vierten Rückgang des Ifo-Index als Warnsignal. "Die Unternehmen ahnen, dass die Politiker auf die stark ansteigenden Corona-Infektionen mit neuen Beschränkungen reagieren werden." Zudem führe die neue Corona-Welle vor allem in Asien zu Fabrikschließungen, was den Materialmangel hierzulande verschärfen werde. "Die deutsche Wirtschaft dürfte im vierten Quartal kaum noch wachsen", betonte Krämer. Zumindest für Ende 2021 zeichne sich eine "Stagflation" ab - also eine Mischung aus stagnierender Konjunktur und steigender Inflation.

Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe sagte im Reuters-Interview, die deutsche Wirtschaft dürfte im laufenden Herbstquartal wohl nur noch um rund 0,5 Prozent wachsen. LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sieht die Ifo-Daten auch als Wink an die angehenden Ampel-Koalitionäre in Berlin: "Zusätzliche Belastungen für die Wirtschaft sind tunlichst zu vermeiden."

Handel skeptisch, Bau optimistisch

Im Dienstleistungssektor verschlechterte sich das Geschäftsklima nach der Erholung im Vormonat wieder. Die Unternehmen blickten deutlich weniger optimistisch auf die kommenden Monate, bewerteten ihre aktuelle Lage jedoch etwas besser. Im Handel sank der Ifo-Index deutlich. "Auch hier belasten Lieferengpässe die Stimmung", erläuterte Fuest. Am Bau hingegen hellte sich die gesamte Stimmung erneut auf, da die Betriebe ihre aktuelle Lage etwas besser bewerteten. "Zudem konnte der Erwartungsindex zum sechsten Mal in Folge zulegen."

Die deutsche Wirtschaft war wegen der Corona-Krise Anfang des Jahres um zwei Prozent geschrumpft, dann aber im Zuge der Lockdown-Lockerungen im Frühjahr um 1,6 Prozent gewachsen. Trotz Lieferengpässen bei wichtigen Vorprodukten gehen viele Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum im abgelaufenen Sommer-Quartal beschleunigt haben dürfte.

Das Kieler IfW-Institut etwa erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 2,2 Prozent zum Vorquartal zulegte. Wegen der globalen Materialknappheit und steigender Corona-Infektionen dürfte die Konjunktur im laufenden Schlussquartal allerdings wieder Schwung verlieren. Dies signalisierten jüngst auch die Umfragen bei Industrie und Dienstleistern zum Einkaufsmanagerindex.

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