EZB hebt Inflationsziel auf zwei Prozent an, Klimawandel wird Teil der Geldpolitik

Mit ihrer ersten Überarbeitung der geldpolitischen Strategie seit 2003 verschafft sich die EZB etwas mehr Flexibilität. Zudem hat die Notenbank einen Aktionsplan verabschiedet, um den Klimawandel in der Geldpolitik ausdrücklich zu berücksichtigen.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde | Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Aris Oikonomou
EZB-Präsidentin Christine Lagarde | Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Aris Oikonomou
Reuters, Erhard Krasny

(ergänzt um BVR-Stellungnahme im achten Absatz)

Die Europäische Zentralbank hat ihre geldpolitische Strategie runderneuert und will sich künftig auch stärker im Kampf gegen den Klimawandel engagieren.

"Die neue Strategie ist ein starkes Fundament, das uns in der Geldpolitik in den kommenden Jahren leiten wird", sagte Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde am Donnerstag.

Inflationsziel neu gefasst

Kern der bislang umfassendsten Überarbeitung der geldpolitischen Vorgehensweise ist ein neues Inflationsziel, das den Währungshütern auch etwas mehr Flexibilität erlaubt. Mit ihrem neu gefassten Inflationsziel will die Notenbank für mehr Klarheit sorgen. EZB-Chefin Christine Lagarde betonte am Donnerstag, mit der Überarbeitung würden "Mehrdeutigkeiten" beseitigt.

Zwei-Prozent-Marke keine Obergrenze

Laut Lagarde ist nun klar, dass die Zwei-Prozent-Marke nicht die Obergrenze ist. Das neue Ziel sei klar und leicht zu kommunizieren, betonte sie. Die Entscheidung, es neu zu fassen, sei im EZB-Rat einstimmig getroffen worden.

Bisher hatte das Inflationsziel auf unter, aber nahe zwei Prozent gelautet. Diese Formulierung war aber in Misskredit geraten, weil sie aus Sicht vieler Experten nahelegt, die EZB wolle eine zu hohe Inflation stärker bekämpfen als eine zu niedrige.


"Die Revolution bleibt aus. Es kommt zu Anpassungen, aber zu keinen tiefgreifenden. Es handelt sich letztlich um einen Kompromiss. Während die deutsche Vertretung mit Jens Weidmann die ultra-expansive Geldpolitik kritisch sieht, treten die Südländer den Wertpapierkäufen wesentlich offener gegenüber. Ein gemeinsames Verständnis zur Geldpolitik zu finden, ist deshalb innerhalb des geldpolitischen Rates kein leichtes Unterfangen", schreib Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank Group in Vaduz, in einer Reaktion.

Vom Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) kam Zustimmung. "Die EZB hat sich in den vergangenen Jahren viel Vertrauen erworben als Garantin für stabile Preise und einen starken Euro. Mit ihrer neuen Zielformulierung macht sie deutlich, dass sie gleichermaßen inflationäre wie deflationäre Tendenzen bekämpfen will. Die neue, klarere Formulierung scheint gut geeignet, Inflationserwartungen exakter zu verankern“, sagte Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) in einer Mitteilung.


Auch beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) begrüßt Chefvolkswirt Andreas Bley in einer Mitteilung die angepasste Strategie: "Die von der EZB beschlossenen Maßnahmen dürften zu einer geringfügigen Erhöhung der Inflationserwartungen beitragen. Dadurch besteht die Chance, dass sich das Zeitfenster für den schon lange überfälligen Ausstieg aus der Negativzinspolitik im Euroraum nach vorne verschiebt."

In den vergangenen Jahren war die Notenbank fast ausschließlich mit zu schwachem Wachstum und zu niedrigen Inflationsraten in den 19 Ländern der Euro-Zone konfrontiert. Erst das Abschwächen der Pandemie und der kräftige Anstieg der Preise etwa für Rohstoffe wie Öl hat die Inflationsrate im Euro-Raum im Juni auf 1,9 Prozent in die Höhe getrieben. Ihre bisherige Zielmarke verfehlte die EZB bereits seit Frühjahr 2013.

EZB-Chefin Christine Lagarde hatte schon kurz nach ihrem Amtsantritt im November 2019 eine Überprüfung der Strategie angekündigt. Die Corona-Krise warf dann aber den Zeitplan durcheinander. Die Währungshüter hatten letztmalig im Jahr 2003 ihre geldpolitische Strategie überarbeitet. Damals hatten sie ihr mittelfristiges Preisstabilitätsziel von 1998 präzisiert. Bis dahin hatte es auf unter zwei Prozent gelautet - angepasst wurde es schließlich auf "unter, aber nahe zwei Prozent". Diese Formulierung blieb seitdem gültig. Weitergehende Themen wie der Klimawandel standen damals nicht auf der Agenda.

Klimawandel wird Bestandteil der Geldpolitik

Die Notenbank hat einen Aktionsplan verabschiedet, um den Klimawandel in der Geldpolitik ausdrücklich zu berücksichtigen. Das neue Klimawandel-Zentrum der EZB soll die Maßnahmen koordinieren.

Detailplan kommt 2022

Unter anderem soll die Offenlegung von Klima-Aspekten für die Zulassung von Firmenanleihen ein Kriterium werden. Das betrifft sowohl den Aspekt der Anleihen als Sicherheiten als auch in Bezug auf Kriterien für die Anleihekäufe dieser Papiere durch die EZB. Einen detaillierten Plan dazu will die EZB im kommenden Jahr vorlegen.

Die EZB will außerdem die Entwicklung von Mindeststandards für die Behandlung von Klimarisiken in ihren internen Ratings ausloten. Die Währungshüter wollen darüber hinaus die Regeln, an denen sich ihre Ankäufe von Firmenanleihen orientieren, künftig um Klimakriterien ergänzen. Firmenanleihen, deren Emittenten nicht die EU-Vorschriften zur Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens beachten, sollen ausgeschlossen werden.

Bis zum ersten Quartal 2023 will die EZB auch damit beginnen, Klimagesichtspunkte zu ihren Firmenanleihekäufen zu veröffentlichen.

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