Das Home-Office kann nicht erzwungen werden

Ein Recht auf Heimarbeit gibt es laut Martin Lützeler nach dem Auslaufen der Home-Office-Pflicht nicht. Allerdings müssen Arbeitgeber immer noch für Schutzmaßnahmen im Betrieb sorgen, erklärt der Arbeitsrechts-Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle im Interview mit FinanzBusiness.
Dr. Martin Lützeler, Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle | Foto: CMS Hasche Sigle
Dr. Martin Lützeler, Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle | Foto: CMS Hasche Sigle

Am Donnerstag ist die Pflicht zum Arbeiten im Home-Office passé - was aber nicht heißt, dass alles wieder so wird, wie vor der Corona-Pandemie. Einige Banken haben bereits angekündigt, künftige flexible Arbeitsmodelle mit mehr Möglichkeiten zur "Heimarbeit" anzubieten. Aber was genau müssen nun Arbeitsnehmer und was dürfen Arbeitgeber? FinanzBusiness hat bei Dr. Martin Lützeler, Kölner Partner der Kanzlei CMS Hasche Sigle, nachgefragt.

Am 30. Juni fällt die Home-Office-Pflicht – was heißt das in der Praxis: Müssen nun alle zurück ins Büro?

"Zwar läuft die in § 28b Abs. 7 Infektionsschutzgesetz enthaltene Pflicht für die Arbeitgeber, den Bürobeschäftigten die Arbeit im Home-Office anzubieten, zum 30. Juni aus. Arbeitsschutzvorschriften, wie z.B. die SARS-Cov2-Arbeitsschutzverordnungen bleiben jedoch bestehen. Daneben gibt es noch die Corona-Verordnungen der Bundesländer, die ebenfalls Regeln für das Arbeitsleben aufstellen. Auch diese sind nach wie vor einzuhalten. Für Unternehmen, die bundesweit aktiv sind, kann das schon unübersichtlich werden.

Die SARS-Cov2-Arbeitsschutzverordnung gilt ab dem 1. Juli mit einigen Änderungen. Gefährdungsbeurteilung, Hygienekonzept und Kontaktreduktion bleiben wichtige Bestandteile im Coronaschutz.

Das bedeutet für Arbeitgeber, dass sie nur dann die Beschäftigten in den Betrieb zurückbeordern können und sollten, wenn dort geprüfte und sichere Arbeitsbedingungen herrschen. Können im Mehrpersonenbüro oder bei Kundenkontakt Abstände nicht eingehalten und andere Schutzmaßnahmen nicht umgesetzt werden, wird es dabei bleiben müssen, dass nur ein Teil der Beschäftigten gleichzeitig im Betrieb arbeiten kann."

Gibt es aus Arbeitnehmersicht auch Argumente dafür, das Arbeiten im Homeoffice zu erzwingen?

"Persönliche Gründe für die Arbeit im Homeoffice gibt es zahlreiche. Genauso wie die einen lieber im Betrieb arbeiten, wollen die anderen die Arbeit lieber im Home-Office erledigen. Erzwingen können das Homeoffice aber nur diejenigen, die einen vertraglichen oder tariflichen Anspruch haben oder bei denen dies in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. Die Handhabung der letzten Wochen und Monate ist kein Grund, mit dem das Homeoffice erzwungen werden kann."

Erwarten Sie Streitfälle, was die Frage: "Home-Office – ja oder nein"– angeht?

"Es wird sicher den ein oder anderen Fall geben, in dem sich die Parteien über die weitere Zusammenarbeit nicht einig werden. Das ist eigentlich immer der Fall, wenn unterschiedliche Interessen aufeinanderstoßen.

Unternehmen sollten gut überlegen, wie sie die unterschiedlichen Wünsche und Vorstellungen ihrer Beschäftigten abbilden können, um ihr Personal abzuholen. Niemand sollte sich dauerhaft und vollständig vom Unternehmen abkapseln. Der fachliche und private Austausch unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist zu wichtig."

Wie muss der Arbeitgeber jetzt Arbeitsplätze gestalten – Stichwort Abstand, Maske, Tests?

"Die Grundregeln sind seit über einem Jahr dieselben. Die SARS-Cov2-Arbeitsschutzverordnung, die Arbeitsschutzregeln und die Veröffentlichungen der Berufsgenossenschaften sind Leitfaden und geben Beispiele.

Unternehmen kommen nicht umhin, die konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort zu überprüfen: Besteht ein Infektionsrisiko? Mit welchen Maßnahmen kann man dem begegnen? Was muss konkret für sichere Arbeitsbedingungen getan werden? Es ist der Grundgedanke des Arbeitsschutzes, dass sich Schutzmaßnahmen nach den jeweiligen Arbeitsbedingungen vor Ort richten.

Jeder Arbeitgeber muss sich – mit Unterstützung von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit und gemeinsam mit dem Betriebsrat – seine eigenen Gedanken machen, was zu tun ist. Das macht es für viele nicht leichter, sondern schwerer. Das war bei den klaren Regelungen für alle, wie sie in § 28b Infektionsschutzgesetz enthalten waren, anders. Ich bin auch der Ansicht, der Arbeitsschutz sollte noch viel mehr mit Beispielen arbeiten, an denen sich Unternehmen orientieren können."

Ist eine "Impfpflicht" durch die Hintertür denkbar - etwa wenn Arbeitgeber Fakten schaffen, indem er nur noch diejenigen auf Konferenzen und Dienstreisen schicken, die auch zweimal geimpft sind?

"Von einer Impfpflicht durch die Hintertür würde ich nicht reden. Wer auf einen Impfschutz verzichtet oder verzichten muss, wird vermutlich mit Einschränkungen leben und arbeiten müssen. Das ist schon jetzt beim Testen, zum Beispiel nach der Einreise aus dem Ausland der Fall.

Es sind also die geltenden Vorgaben, die den Unterschied machen. Und Unternehmen wollen sich nicht vorhalten müssen, sie seien ihrer Fürsorgepflicht nicht nachkommen. Das kann unter Umständen auch dazu führen, dass Firmen Dienstreisen absagen, wenn sie Risiken befürchten, oder nur diejenigen auf Konferenzen schicken, die geschützt sind."

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