Wirecard-CEO tritt zurück

Markus Braun tritt mit sofortiger Wirkung zurück. James Freis zum Interims-CEO ernannt. Unternehmen befindet sich in Gesprächen mit Kreditgebern.
Markus Braun geht. | Foto: picture alliance / Sven Simon
Markus Braun geht. | Foto: picture alliance / Sven Simon
Leonie Weigner mit DPA

Markus Braun zieht Konsequenzen aus den Skandalen bei der Wirecard AG. Der Vorstandsvorsitzende stellt sein Amt mit sofortiger Wirkung zur Verfügung. Dies teilte der Dax-Konzern am Freitag (19. Juni) ad-hoc mit.

In einem Statement sagte Braun: Wirecard habe ein exzellentes Geschäftsmodell, herausragende Technologie und ausreichende Ressourcen für eine große Zukunft, schrieb Braun am Freitag in einer auf Englisch verfassten persönlichen Erklärung an Mitarbeiter und Aktionäre. "Ich will diese Zukunft nicht belasten."

Er habe den Vorsitzenden des Aufsichtsrats am Vormittag über seine Entscheidung informiert. "Mit meiner Entscheidung respektiere ich die Tatsache, dass die Verantwortung für alle geschäftlichen Transaktionen beim Vorstandschef liegt."

Zum Interims-CEO mit Einzelvertretungsberechtigung wurde James Freis berufen, hieß es weiter. Freis war erst am Donnerstag nach Börsenschluss in den Vorstand berufen worden.

Die Investoren des Zahlungsdienstleisters scheinen damit gerechnet zu haben: Die Aktie stieg im Vergleich zum Tagesbeginn.

Laufende Gespräche

Wirecard hatte am Donnerstag seinen Jahresabschluss zum vierten Mal verschoben. Grund dafür ist, dass die zuständige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY (Ernst & Young) kein Testat für auf Treuhandkonten in Asien gebuchte 1,9 Mrd. Euro abgeben will. Mittlerweile haben sich die betroffenen Banken geäußert und eine Kundenbeziehung zu Wirecard dementiert.

Philippinische Banken wissen nichts von Wirecard-Treuhandkonten

Kurzfristig könnten - je nachdem wie die Banken sich verhalten - auch Liquiditätsprobleme nicht ausgeschlossen werden. Sollte der Konzern nicht bis heute einen testierten Abschluss vorlegen, könnten Banken ihm bestehende Kredite in Höhe von etwa 2 Mrd. Euro kündigen, warnte das Unternehmen. Ob es dazu kommt, ist unklar.

Wirecard verhandelt aktuell mit seinen Banken über die weitere Gestaltung der Geschäftsbeziehungen. Das Unternehmen befinde sich in konstruktiven Gesprächen mit seinen kreditgebenden Banken hinsichtlich der Fortführung der Kreditlinien und der weiteren Geschäftsbeziehung, wie Wirecard am Freitagnachmittag in Aschheim bei München mitteilte.

Wirecard hat Kredite bei vielen verschiedenen Geldhäusern. Laut einem Bericht von Capital zählen unter anderem die Commerzbank und die LBBW, die Deutsche Bank und ING Deutschland zu den Geldgebern. Äußern wollte sich niemand.

Analysten setzen Bewertung aus

Aktuelle Analystenkommentare zu Wirecard fallen verheerend aus. Immer mehr Analysten äußern sich kritisch zu dem Zahlungsabwickler und raten zum Verkauf oder setzen die Bewertung erst einmal aus. Analyst Stephane Houri von der Oddo BHF sprach von einer "großen Katastrophe" und strich das Kursziel von 120 auf 35 Euro zusammen.

Auch COO freigestellt

Am Donnerstagabend war außerdem bereits der Wirecard-COO Jan Marsalek mit sofortiger Wirkung freigestellt worden. Die Freistellung sei widerruflich, hieß es weiter. Im Mai wurden seine Aufgaben im Zuge eines Vorstandsumbaus schon beschnitten. Für ihn kam der neue CEO Freis ins Unternehmen.

BaFin und Münchener Staatsanwaltschaft untersuchen Vorgänge

Mit den neuen Entwicklungen werden auch die Schadensersatzansprüche wahrscheinlicher. Die Anlegergemeinschaft SdK prüft laut dpa zudem eine Sammelklage zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. "Nach vorläufiger Einschätzung könnten mehrere mögliche Pflichtverletzungen durch den Vorstand der Wirecard AG und insbesondere auch den Abschlussprüfer der Gesellschaft vorliegen", so die SdK.

Sowohl die Finanzaufsicht BaFin als auch die Münchner Staatsanwaltschaft kündigten an, die neuen Entwicklungen prüfen zu wollen. Auch die Anwälte der Tübinger Kanzlei TILP sehen sich darin bestätigt, "dass Wirecard mehrfach erheblich gegen deutsches und europäisches Kapitalmarktrecht verstoßen und sich damit gegenüber Anlegern und Investoren schadensersatzpflichtig gemacht hat". Man wolle daher zeitnah entsprechende Musterverfahrensanträge beim Landgericht München I einreichen, so die Kanzlei in einer Mitteilung.

Schicksalstage bei Wirecard

Jetzt teilen

Zum Newsletter anmelden

Bleiben Sie mit unserem Newsletter immer auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen Ihrer Branche.

Newsletter-Bedingungen

Die jüngsten FinanzBusiness-Artikel

Die GLS Bank ist bislang die einzige Bank, die Debitkarten aus Holz standardmäßig ausgibt. | Foto: GLS Bank

Zweifel an Nachhaltigkeit der neuen Genossen-Holzkarte

Für Abonnenten

Lesen Sie auch