Wegen Corona wird Helgoland nicht untergehen

Deutschlands einzige Hochseeinsel ist stärker als andere Regionen vom Tourismus abhängig. Umso schwerer wiegen dort die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Aber es gibt ermutigende Signale für Branchen, die es oft schwer haben, an Kredite zu kommen.
Helgoland | Foto: Colourbox
Helgoland | Foto: Colourbox

Die Tourismus-Zentrale der Insel Helgoland hat aus der misslichen Lage noch Kapital geschlagen: "Mit Abstand am Besten", lautet der neue Werbespruch der Insel. Er wirbt für die jetzt im öffentlichen Leben geltenden Abstandsregeln ebenso wie für die einzigartige geographische Lage Helgolands –  Deutschlands einziger Hochseeinsel rund 50 Kilometer vor der Westküste Schleswig-Holsteins.

Abstand hat auch Andreas Grenz. Der Direktor für das Firmenkundengeschäft der Sparkasse Südholstein im Kreis Pinneberg hat sein Büro in der Kreisstadt, zu der verwaltungstechnisch Helgoland gehört. Doch die Probleme der Insulaner-Unternehmer sind ihm ganz nah. „Unsere Kunden haben in jedem Fall Gesprächsbedarf", sagt er FinanzBusiness im Interview.

Die Sparkassenfiliale auf Helgoland. | Foto: Sparkasse Südholstein
Die Sparkassenfiliale auf Helgoland. | Foto: Sparkasse Südholstein

Gehörte die Helgoländer Sparkassenfiliale nicht zur Sparkasse Südholstein, der mit einer Bilanzsumme von 5,66 Mrd. Euro die Nr. 54 der 379 deutschen Sparkassen, sondern wäre auf sich alleine gestellt, so wären die Sorgen von Grenz vielleicht sogar noch viel größer.

Fehlender Branchenmix in der Nordsee

Helgoland fehle der Branchenmix, den er im übrigen Kreis Pinneberg im Speckgürtel Hamburgs vorfinde, so Grenz. Fast jeder Unternehmer sei vom Tourismus abhängig. Schon in normalen Zeiten gebe es für die Helgoländer Firmen andere Parameter, die sich schwer vorhersagen lassen: etwa das Wetter und mit ihm auch die Zahl der Tagestouristen, die im Helgoländer Einzelhandel durch den Kauf zollfreier Produkte für Umsatz sorgen.

Doch die Zeiten sind nicht normal: "Zwei Monate kam man sich ein bisschen so vor, wie Robinson Crusoe", blickt Helgolands Bürgermeister Jörg Singer auf die Zeit des Lockdowns wegen des Corona-Virus zurück. Bis auf wenige Ausnahmen durfte kein Festländer die Insel betreten, umgekehrt auch kein Helgoländer sie verlassen. 1.549 Menschen leben auf dem Eiland in der Nordsee.

Ein Desaster für die örtliche Wirtschaft. "Legt man die Besucherzahlen der Monate April, Mai und Juni zugrunde, ergibt sich zum Vorjahr ein Umsatzverlust von 30 Mio. Euro", sagt Singer FinanzBusiness im Interview. Das ist ein knappes Drittel der 95 Mio. Euro, die Helgoland noch im vergangenen Jahr direkt und indirekt erwirtschaftet hat.

Besonders betroffen sind der Einzelhandel, auf den nach der Rechnung Singers 26 Prozent des Umsatzminus entfallen, gefolgt von der Beherbergung (17 Prozent), und der Gastronomie (12 Prozent). 65 Prozent der Arbeitsplätze auf Helgoland hängen am Tourismus.

Im Saisongeschäft auf Helgoland kam "der Lockdown zur Unzeit, gerade zum Ende der schwachen Saison", erzählt Legitta Reininger FinanzBusiness. Sie ist Leiterin der Rickmers-Betriebe auf Helgoland und erste Vorsitzende des Wirtschaftsforums Helgoland. Einen Zusammenschluss von Unternehmern der Helgoländer Touristikbranche. Auch Beate Richter, die Filialleiterin der Helgoländer Sparkassenfiliale, ist als Schriftführerin im Verein vertreten.

Reininger weiß aus erster Hand, wie schwer es die Helgoländer Unternehmen in den vergangenen Wochen hatten. Zu Rickmers-Betrieben gehören mehrere Hotels, Restaurants und sogar ein Reisebüro. Im vergangenen Jahr war das Familienimperium einer der größten Arbeitgeber der Insel. Bis die Kurzarbeiterhilfen des Staates flossen, musste das Unternehmen die Monatsgehälter vorfinanzieren. Auch die Personalwohnungen mussten vorgehalten werden, erzählt Reininger. "Sind zwei Monate eine lange Zeit, eher nicht. Aber wenn man auf finanzielle Hilfe wartet, dann schon", erinnert sich die Betriebsleiterin.

"Das Eigenkapital war erschöpft, wir mussten aber weiter investieren, also brauchten wir einen Kredit, den wir auch bekommen haben", berichtet Reininger. Aufgenommen haben Rickmers-Betriebe 1,5 Mio. Euro. Die geplante Investitionssumme im Winter bezifferte die Betriebsleiterin auf 300.000 bis 500.000 Euro. Allein 130.000 bis 150.000 Euro sollen in ein Projekt fließen, das das Unternehmen wegen der Corona-Pandemie vorgezogen hat: den berührungslosen Check-in, um unnötige Kontakte zwischen Gästen und Personal zu vermeiden.

Mehrwertsteuersenkung greift auf Helgoland nicht

Derweil bemüht sich die Gemeinde Helgoland, den vom Tourismus abhängigen Betrieben beizustehen. Die Tourismusabgabe, die sie im vergangenen Jahr zu zahlen hatten, bekommen die Unternehmen in diesem Jahr in dreifacher Höhe als Hilfe ausgezahlt. Die von der Politik beschlossene Mehrwertsteuersenkung im zweiten Halbjahr greift auf dem mehrwertsteuerfreien ja Helgoland nicht.

Doch trotz drastischen Umsatzeinbußen durch den Lockdown steht den Sparkassen-Firmenkunden auf Helgoland das Wasser noch lange nicht bis zum Hals, weiß Grenz aus seiner täglichen Arbeit zu berichten: "Es hat viele Nachfragen nach Tilgungsaussetzungen gegeben, aber nicht jeder Unternehmer hat Bedarf nach neuen Krediten, obwohl sich die Nachfrage nach frischem Geld natürlich erhöht hat."  Ein Einzelhändler stützt Grenz‘ Schilderung. "So lange ich Rücklagen habe, greife ich auf die zurück, ehe ich mich verschulde", erzählt er.

Genaue Zahlen, auf Helgoland heruntergebrochen, mag der Sparkassen-Firmenkundendirektor allerdings nicht nennen. Nur soviel: "Wir haben noch keinen einzigen Kreditantrag aus Helgoland abgelehnt." Den Helgoländer Unternehmen bescheinigt Grenz ein tragfähiges Geschäftsmodell. So mancher Hamburger Gastronom habe es da schwerer.

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