Standpunkt: Beschleunigt die Coronakrise die Digitalisierung?

Banken glänzen bei Kunden mit neuen digitalen Services, doch intern läuft manches nach wie vor manuell – auf Basis einer jahrzehntealten IT-Infrastruktur. Was sich daran jetzt ändert: FinanzBusiness hat nachgefragt bei Thomas Steiner von BearingPoint.
Foto: picture alliance / Klaus Ohlenschläger
Foto: picture alliance / Klaus Ohlenschläger

Die Agenda der Banken hat sich trotz Coronakrise kaum verändert – so sieht es Thomas Steiner, Leiter des Segments Banking & Capital Markets bei der Management- und Technologieberatung BearingPoint in Frankfurt.

"Banken werden sehr stark weiter konsolidieren und gleichzeitig an ihrer Basisinfrastruktur arbeiten", sagte er im Gespräch mit FinanzBusiness. "Sie sind mittendrin in einer zweiten Digitalisierungswelle."

Diese zweite Welle ist Steiner zufolge vor allem durch den Umbau der internen Prozesse, der Kern-IT, geprägt. "Nach außen, zu den Kunden hin, sind die Schnittstellen bereits recht weit entwickelt, jetzt wenden Banken ihren Blick nach innen und investieren in die Digitalisierung ihrer Prozesse, von denen viele noch manuell laufen."

Thomas Steiner, Leiter des Segments Banking & Capital Markets bei BearingPoint | Foto: BearingPoint
Thomas Steiner, Leiter des Segments Banking & Capital Markets bei BearingPoint | Foto: BearingPoint
Technologisch komme da alles zum Tragen, was derzeit auch in anderen Märkten angesagt sei, beobachtet Steiner, etwa Künstliche Intelligenz, dazu Virtual beziehungsweise Augmented Reality oder Big Data. "Diese Technologien sind keinesfalls einfache Worthülsen, sondern werden die Finanzbranche nachhaltig verändern."

Die Kern-IT ist Jahrzehnte alt

Thomas Steiner ist überzeugt davon, dass "Banken feststellen werden, dass sie vom technischen Fortschritt profitieren, Angebote schneller zum Kunden bringen können, gleichzeitig effizienter werden und Kosten sparen". Die Infrastruktur der 1970er Jahre habe endgültig ausgedient.

Heute sei das allen bewusst, in diesem Punkt habe sich das Mindset längst verändert – bis hinauf in die Vorstandsetagen der Kreditinstitute. Steiner beobachtet: "Auch bei Banken hat da ein Aha-Effekt eingesetzt, obwohl sich Innovationen schwer messen lassen und nicht sofort monetär sichtbar werden."

Die Projekte, die Banken dazu aufgesetzt hätten, seien durch die Corona-Krise eher beschleunigt als gebremst worden – zu offensichtlich sei der langfristige Nutzen der digitalen Transformation. Deshalb bestehe Konsens darüber, diese intern endlich anzugehen, argumentiert Steiner: "Das wird für Banken nicht einfach und auch noch zwei bis drei Jahre dauern, ist als Notwendigkeit aber völlig akzeptiert."

Keine erhöhte Dynamik bei der Konsolidierung

Dass Banken infolge der Corona-Krise selbst in eine Schieflage geraten könnten, der digitale Umbau dadurch ins Stocken gerät und dafür die Konsolidierung an Tempo gewinnt, glaubt Steiner nicht.

"Gerade in der Krise merken die Kunden, dass Banken gute Dienste leisten und nah dran sind" – Digitalbanken und Robo Advisor könnten das nicht kompensieren. "Filialbanken haben im Kern weiter ihre Berechtigung, das Vertrauen, das sie ausstrahlen, verliert für Kunden durch die digitale Transformation nicht an Bedeutung."

Die Bundesregierung habe mit ihren Maßnahmen Banken die Möglichkeit gegeben, die Wirtschaft schnell zu unterstützen, ohne allzusehr ins Risiko gehen zu müssen. Die Gefahren seien deshalb überschaubar.

"Vielleicht wird es einzelne Banken geben, die in Schwierigkeiten geraten, weil sie in der Vergangenheit unökonomische Kreditentscheidungen getroffen haben", so Steiner. "Der Bankensektor insgesamt ist jedoch gut kapitalisiert, das System 'Bank' ist nicht in der Krise."

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