"Die Banken denken gar nicht daran, ihre mühsam gestarteten Projekte wieder einzustellen", sagt Philipp Sandner

Die Pleite der Krypto-Börse FTX erschüttert die Branche. Das US-Unternehmen hat vor knapp einer Woche Gläubigerschutz angemeldet. Von der spektakulären Pleite sollen etwa eine Million Kunden betroffen sein, ihren 50 größten Gläubigern schuldet die Krypto-Börse nach eigenen Angaben fast 3,1 Mrd. Dollar.
Mittlerweile deutet alles auch auf einen Betrugsfall hin. Gründer Sam Bankman-Fried soll laut einem Bericht der ”Wall Street Journals” 300 Mio. von 420 Mio. Dollar an Investorengeld abgezweigt haben.
Im Gespräch mit FinanzBusiness ordnet Professor Philipp Sandner, Leiter des Blockchain-Center an der Frankfurt School of Finance, die Auswirkungen des Falls für die Entwicklung im Krypto- und DeFi-Sektor ein. Zwar geht er von einer monatelangen Hängepartie am Markt aus, glaubt aber auch an eine Konsolidierung des Marktes - von der am Ende regulierte Firmen, vor allem in Europa, profitieren könnten.
Erwarten sie aufgrund der Pleite der US-Börse FTX nun weitere Kaskaden-Effekte? Inwieweit hat sie Auswirkungen auf die ganze Kryptobranche?
”Kurzfristig werden einige Börsen in Schwierigkeiten geraten. Es ist auch denkbar, dass einigen Start-ups jetzt das Funding wegbrechen könnte. Und auch der Bitcoin-Preis könnte noch einmal fallen, weil Bitcoin-Miner Probleme aufgrund der hohen Stromkosten haben, sich zu refinanzieren.
Mittelfristig ist absehbar, dass bereits gestartete Projekte nun langsamer umgesetzt werden. Insgesamt dürfte es zu Verzögerungen in den Roadmaps von sechs bis acht Monaten kommen.
Die FTX-Pleite und ihre Auswirkungen sind aber auch deshalb so frustrierend, weil wir vor zwei Woche noch das Gefühl hatten, dass der Bitcoin sich wieder stabilisiert. Nun stehen wir vor einer monatelangen Hängepartie, bevor es vielleicht wieder aufwärts gehen kann.”
Steigt jetzt wieder die Skespis gegenüber Kryptowährungen und DeFI-Projekten?
”Ähnlich wie der Aktienmarkt neigt auch der Kryptomarkt zu Übertreibungen, das können wir an der hohen Volatilität ablesen. Aber auch wenn wir aktuell auf der einen Seite wieder auf Geschäftsmodelle schauen, die besonders wackelig sind, steht auf der anderen Seite doch eine brillante Technologie, die jeden Sturm aushält: Das ist der Bitcoin, Ethereum die Stablecoins und die Decentralised Finance Token.
Leute wie ich sind unerschütterlich, weil wir an die brillante Technologie glauben. Aber es gibt jetzt sicher eine Verhärtung der Positionen: Der Kryptomensch sagt ’Jetzt erst recht’ – und der Skeptiker fühlt sich darin bestärkt, die Finger davon zu lassen.”
Gilt das auch für die Banken, die sich doch gerade der Asset-Klasse ”Krypto“ angenähert hatten und auch eigene Projekte aufgesetzten haben?
”Ich habe mit vielen gesprochen und mein Eindruck ist: Die Banken denken gar nicht daran, ihre mühsam gestarteten Projekte wieder einzustellen, gerade beim Thema Stablecoins und dem Digitalen Euro.”
Derzeit wird von vielen Seiten laut nach strengerer Regulierung gerufen – aber die ist doch auf EU-Ebene mit der ”Markets in Cryptoassets“-Verordnung (MiCA) bereits auf den Weg gebracht worden…
”Richtig, und es zeigt sich gerade, dass die EU, aber auch Deutschland und die BaFin mit ihrer Regulierung einen guten Job gemacht haben.
Es ist kein Zufall, dass all diese Katastrophenfirmen außerhalb der EU ansässig sind: Denn bei uns sind solche Zockereien aufgrund der Regulatorik gar nicht möglich. Aber wenn sich ein Europäer bei einer ausländischen Börse registriert, können weder die EU noch der deutsche Staat viel dagegen tun – man kann ja schließlich nicht das Internet abschalten.
Aus meiner Sicht stehen daher nicht nur der Staat und die Industrie in der Pflicht, hohe Regulierungsstandards umzusetzen: Der Anleger darf nicht einfach vertrauen, er muss skeptisch sein und sich überlegen: Wo finde ich die bessere Börse? Auf den Bahamas – oder doch eher in Stuttgart unter Regulierung der BaFin?”
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