Grüne sind für Bankenbranche kein Schreckgespenst mehr

Die Grünen und die Finanzbranche nähern sich immer stärker an. "Die Gespräche mit den Grünen vor vier und vor acht Jahren waren viel kritischer als heute", sagt Lobbyist Andreas Krautscheid vom Bundesverband deutscher Banken (BdB). "Da herrscht jetzt eine andere Stimmung. Es geht um andere Themen."
Grüne punkten mit Nachhaltigkeit
Viele Experten loben mit Blick auf die Finanzbranche das Wahlprogramm der Grünen, weil es besonders konkret und auf neue Themen wie Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Allerdings gibt es immer noch kritische Stimmen in Frankfurts Banken-Türmen.
Den Grünen wird vor allem vorgeworfen, zu staatsgläubig zu sein. Die traditionell konservativen Geldhäuser hoffen darauf, dass die Union am Ende eine Überregulierung verhindern wird.
"Bei der Union findet sich wenig konkretes und gar nichts zum Thema Nachhaltigkeit", sagt Finanzmarkt-Expertin Dorothea Schäfer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Nachrichtenagentur Reuters. "Man hat den Eindruck, dass die Union - und auch die FDP - keine Angriffsflächen bieten wollen. Die Grünen sind dagegen sehr konkret."
Sie pochen unter anderem darauf, dass öffentlich-rechtliche Banken bei der "grünen Finanzwende" eine Vorreiterrolle einnehmen, Klima- und Umweltrisiken mit Eigenkapital unterlegt werden müssen, Wirtschaftsprüfer Konzerne nicht gleichzeitig beraten und prüfen dürfen, das Investmentbanking vom Einlagen- und Kreditgeschäft von Banken zu trennen ist und der Bund künftig vollständig für die Bekämpfung von Geldwäsche zuständig sein soll.
Die meisten Umfragen deuten momentan auf eine schwarz-grüne Regierung nach der Bundestagswahl Ende September hin. Aber auch Dreier Bündnisse aus Grünen, SPD und FDP oder Union, SPD und FDP sind denkbar.
Pragmatischere Herangehensweise
"Die Grünen haben eine pragmatischere Herangehensweise als früher", sagt Michael Holstein, Chefökonom der genossenschaftlichen DZ Bank. Ihr Wahlprogramm gehe aber in Richtung strengere Regulierung und Staatsgläubigkeit.
"Eine grüne Regierungsbeteiligung könnte das Umfeld für Banken noch schwieriger machen." Sollten die Grünen eine Koalition mit der Union oder der FDP eingehen, werde sich vermutlich nicht viel ändern. "Dann könnten sie so weitreichende Änderungen, wie sie im Wahlprogramm enthalten sind, nicht umsetzen."
Grundsätzlich fordern Banken - 13 Jahre nach der globalen Finanzkrise und nachdem sie sich in der Coronavirus-Pandemie bislang als robust erwiesen haben - mehr regulatorische Freiräume. "Wir sind an einem Punkt in Europa, wo wir den Bogen überspannen", klagt Deutsche-Bank-Chef und Bankenverbands-Präsident Christian Sewing. In den USA gebe es etwa im Gegensatz zu Europa keinen Banken-Abwicklungsfonds, der mit milliardenschweren Beiträgen der Geldhäuser aufgefüllt wird, und auch die Vorgaben bei nachhaltigen Finanzierungen seien weniger streng.
Entscheidend sei, die richtige Regulierung zu finden, nicht einfach nur mehr Regulierung, sagt Finanzprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim, selbst FDP-Mitglied. DZ-Bank-Ökonom Holstein ergänzt, insbesondere das von den Grünen geforderte Trennbankensystem mit der Abspaltung des riskanteren Investmentbankings habe sich in den USA nicht bewährt. "Es wäre falsch, ein solches Modell hierzulande einzuführen."