Liane Buchholz rechnet mit der Niedrigzinspolitik der EZB ab

Die Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe fordert höhere Freibeträge und erteilt der Europäischen Einlagensicherung eine klare Absage. Unterm Strich haben die dem Verband angeschlossenen 57 Institute 2020 mehr verdient.
Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe | Foto: SVWL
Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe | Foto: SVWL

Die Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe hat deutliche Kritik an der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) geübt.

"Mehr als drei Viertel der Sparkassen in Westfalen-Lippe haben damit die im September 2019 von der EZB eingeführten Freibeträge ausgeschöpft. Ihre über die Freibeträge hinausgehenden Überschussreserven werden nunmehr mit 0,5 Prozent Minuszins belegt. Das zusätzliche Geld kostet Sparkassen also insgesamt 11 Mio. Euro Zinsen", sagte Buchholz auf der Online-Jahrespressekonferenz des Sparkassen-Verbandes.

Den 57 Sparkassen des Verbandes flossen 2020 nicht zuletzt weges des Konsumstaus durch die Corona-Pandemie deutlich mehr Kundengelder zu. So stieg die Sparquote der Privatkunden den Angaben zufolge um 5,4 Prozentpunkte auf 16,3 Prozent. Der Gesamteinlagenbestand erhöhte sich um, acht Prozent auf 87,61 Mrd. Euro.

"Im Schnitt legten unsere Kunden (im ersten Lockdown) jeden Werktag 130 Mio. Euro zusätzlich an die Seite. Im April waren bereits nach lediglich drei Werktagen mehr Einlagen zusammengekommen als in den ersten 13 Wochen des Jahres insgesamt. Der Anstieg belief sich auf sage und schreibe 2,6 Mrd. Euro, beziehungsweise 183 Prozent, rechnete Buchholz vor.

Überhang an Einlagen

Die Entwicklung habe im Gesamtjahr zu einem Überhang an Einlagen gegenüber den Krediten geführt. Er vergrößerte sich um 71 Prozent auf 10,6 Mrd. Euro, so die Sparkassenverbandspräsidentin.

"Das geht so nicht, und ich sage Ihnen auch gern, warum: Als die Freibeträge im Herbst 2019 eingeführt wurden, deckten sie 55 Prozent aller Bankeinlagen bei der EZB ab. Inzwischen fallen nur noch 28 Prozent der Bankeinlagen unter die Freibeträge", sagte Buchholz.

Unter diesem Umständen ist die für die Vollendung der Europäischen Bankenunion Einführung der gemeinsamen europäischen Einlagensicherung für Buchholz kein Thema: "Über Edis brauchen wir in diesen Zeiten gar nicht zu sprechen. Vergessen Sie es!", sagte die Sparkassenverbandspräsidentin wörtlich und bezog sich damit auf die englische Abkürzung, Edis, (European Deposit Insurance System), auf Deutsch: Europäisches Einlagensicherungssystem.

Es sei "kurioserweise die EZB selbst", die zeitgleich eine bessere Ertragslage der Kreditinstitute fordere. Wenn jedoch Einlagen bei der EZB Zinsen kosten und zugleich die einlagenabhängige Bankenabgabe steige, fresse die EZB-Politik die erzielten Effizienzerfolge auf, so Buchholz. Sie kritisierte auch scharf, dass in Deutschland die von der Höhe der Einlagen abhängige Bankenabgabe nach Steuern gezahlt werden müsse, während sie in den meisten anderen Ländern von der Steuer abgezogen werden könne.

Gleichwohl haben sich Verwahrentgelte unter den 57 öffentlich-rechtlichen Instituten in Westfalen-Lippe noch nicht flächendeckend durchgesetzt. Sie werden nur auf "acht bis neun Prozent" der Einlagen erhoben, so Vizepräsident Jürgen Wannhoff.

Dies liege auch daran, dass Verwahrentgelte nur auf Neugeschäft erhoben werden könnten, nicht auf aber auf bestehende Einlagen. "Dass sich Kunden und Sparkassen einvernehmlich auf Verwahrentgelte einigen wird wohl die Ausnahme bleiben", so Wannhoff.

Zurückhaltung bei Neueinstellungen

Für ihn bleibt die Erkenntnis, dass mehr Geschäft nicht automatisch zu höheren Erträgen führe. So lag 2020 das Betriebsergebnis vor Bewertung mit 1,17 Mrd. Euro, 13 Mio. Euro oder 1,1 Prozent unter dem des Vorjahres. Das um 2,9 Prozent gestiegene Provisionsergebnis konnte in absoluten Zahlen den um 2,6 Prozent gefallenen Zinsüberschuss nicht ausgleichen.

Dabei ging der Personalaufwand zurück, auch weil die Institute zurückhaltend mit Neueinstellungen waren, wie Wannhoff ausführte. So ging die Zahl der Beschäftigten in den 57 Instituten des Verbandes im vergangenen Jahr um 359 auf 22.849 zurück. Die Cost-Income-Ratio lag stabil bei 64 Prozent, das ist weniger als bei vielen Geschäftsbanken.

Unterm Strich stand bei den Westfälisch-Lippischen Sparkassen im zurückliegenden Jahr ein Jahresüberschuss von 190 Mio. Euro, 14,2 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Diskrepanz zum leichten Rückgang zum Betriebsergebnis begründete Wannhoff mit "Steuerauflösungen".

17 der 57 Sparkassen schütteten dann auch an ihre Anteilseigner die Kommunen aus, ein Jahr zuvor waren es noch 27, so der Sparkassenverbandsvizepräsident. Die übrigen 40 Sparkassen haben ihr Eigenkapital gestärkt.

Auch wenn Buchholz und Wannhoff im laufenden Jahr von einer Zunahme der Insolvenzen ausgehen. Mit "weitreichenden Kreditausfälen" rechnen sie nicht.

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