Kunden zahlen Kontogebühren aus Bequemlichkeit

In seinem Geldverschwendungsreport 2020 hat Verivox neulich vorgerechnet, dass deutsche Verbraucher 3,2 Mrd. Euro im Jahr für Kontogebühren ausgeben. Für die Banken ist das ja eigentlich eine gute Nachricht. Aber es darin steckt auch eine Gefahr: Die Kunden könnten zu einer der Banken abwandern, die noch kostenlose Konten anbieten.
Malte Gündling von der Strategieberatung Oliver Wyman hat 2018 zusammen mit Kollegen eine Studie zur Kundenloyalität bei Hausbanken gemacht. FinanzBusiness hat mit ihm dazu gesprochen, was sich seitdem eventuell geändert hat.

Warum zahlen Bankkunden eigentlich für etwas, das es auch kostenlos gibt?
Malte Gündling: In erster Linie ist es Bequemlichkeit. Die Wechselbereitschaft im Bankensektor ist nicht besonders hoch. Die Preissensibilität unterscheidet sich sehr stark zwischen den Kundentypen. Dazu ist es ein großer Teil der Bevölkerung auch gewöhnt, Kontoführungsgebühren insbesondere bei ihrer Hausbank zu zahlen. Und selbst bei der aktuellen Erhöhungswelle wechseln viele Kunden eben nicht zu den weniger werdenden kostenlosen Girokontoangeboten.
Girokonten kosten meistens zwischen 3 und 5 Euro im Monat. Sind das Beträge, die den Bankkunden schlicht egal sind, auch wenn sich auf 50, 60 Euro im Jahr summieren - und manchmal auch noch mehr?
Auch hier sollte man zwischen den Bankkunden differenzieren. Wir sehen durchaus eine grundsätzliche Wechselwilligkeit bei jedem vierten Kunden. Es wechseln jedoch aktuell weniger als 5 Prozent ihre Bank. Hier sind mit großem Abstand Preise und Gebühren der Haupt-Wechselgrund. Allerdings haben auch 50 Prozent der Bankkunden noch nie ihre Bank gewechselt, zahlen seit jeher Gebühren und sind dazu auch weiterhin bereit. Vielleicht sehen sie einmal im Quartal die Kontoführungsgebühren auf dem Kontoauszug, ärgern sich kurz drüber, aber wollen den Aufwand für einen Wechsel nicht betreiben.
Viele Verbraucher haben ja mehrere Konten bei verschiedenen Banken. Welche Rolle spielt das bei der Preissensibilität?
Der klassische Multibanking-Kunde ist bei einer Filialbank und bei einer oder mehreren Direkt- bzw. Neobanken Kunde. Da bei letzteren beiden das Basiskontoangebot zumeist noch kostenlos ist, fällt dieser Effekt nicht so stark ins Gewicht. Die Kunden zahlen bei einer Bank Gebühren und die weiteren Konten sind meistens kostenlos.
Sie haben vorhin schon die Bequemlichkeit angesprochen. Aber gibt es auch so etwas wie Unsicherheit, die einen davon abhält, zu einer anderen Bank zu wechseln?
Auf jeden Fall. Manche Menschen sorgen sich ja auch zum Beispiel, dass sie im Dunkeln sitzen könnten, wenn sie den Stromanbieter wechseln. Und das gleiche ist beim Konto der Fall. Da geht es um Dinge wie Lastschriften, Daueraufträge, aber auch die Mitteilung an den Arbeitergeber über ein neues Gehaltskonto. Deshalb bestehen gerade bei Hausbankkonten gewisse Wechselhürden und viele Verbraucher wissen oft auch nicht, dass diese in der Realität durch den gesetzlich vorgeschriebenen Kontowechselservice wesentlich niedriger ausfallen.
Wo reihen Sie die Kontoführungsgebühren bei den Wechselgründen ein? Es gibt ja sicher mehr als den einen Grund, die Bank zu wechseln.
Gebühren und Preise allgemein sind mit Abstand der wichtigste Wechselgrund. Ein Drittel aller Konsumenten wechselt aufgrund von neuen Preisen und Gebühren. Und wenn man dann noch diejenigen knapp 20 Prozent dazuzählt, die wechseln, weil sie woanders ein besseres Angebot, zum Beispiel einen besseren Zinssatz, bekommen, dann motivieren Preis-, Gebühren- und Zinsentscheidungen rund die Hälfte aller Wechsel.
Und die anderen 50 Prozent?
Diese Wechselgründe sind oftmals eher "push" als "pull", das heißt, man findet nicht was anderes besser, sondern hat sich über etwas geärgert - Unzufriedenheit mit dem Berater, kein Durchkommen bei der Hotline - das sind circa 20 Prozent der Wechsel. Und vor allem die Jüngeren wechseln auch wegen eines besseren digitalen Angebots der Konkurrenz. Kontoneueröffnungen wegen besserer Konditionen bei Einlagenprodukten wie in der Vergangenheit sehen wir in den letzten Jahren in Zuge des Zinsniveaus kaum noch. Die verbleibenden "Tagesgeld-Hopper" werden immer mehr durch Zinsplattformen mit Zugang zu zahlreichen Tagesgeldangeboten bedient.
Aus Sicht einer Bank: Wie wichtig sind Kontoführungsgebühren im Gesamtertragsmix - mal abgesehen von dem Vorteil, dass es sich um eine schön regelmäßig sprudelnde Quelle handelt, für die man nicht viel tun muss?
Da kommt es sehr auf die spezifische Bank und deren Ertragsmix an. In Zeiten niedriger Zinsen werden Gebühren immer wichtiger. Und von daher sehen wir auch, dass in den letzten zwölf bis 18 Monaten Filial-, aber auch Direktbanken Gebühren erhöht bzw. neu eingeführt haben - oder die Kontenmodelle angepasst haben. Das ist dann die Kehrseite der Medaille: Es werden Leistungen rausgestrichen, zum Beispiel wenn man kein Hausbankkunde ist. Insgesamt stehen Kontoführungsgebühren allerdings noch für deutlich weniger als 10 Prozent aller Erträge im Privat- und Firmenkundengeschäft.
Kann man sagen, wie viel eine Bank durchschnittlich an einem Kunden verdienen muss, damit sich die Kundenbeziehung rechnet?
Die "Cost-to-Serve" sind sehr abhängig vom Institut und dem Kundenverhalten. Zum Beispiel: Eine Bank mit einer modernen IT hat tendenziell geringere Kosten. Ein Kunde, der die kostenlose Bargeldabhebung an Fremdautomaten intensiv nutzt verursacht eher höhere Kosten.
Die Sparda-Bank Baden-Württemberg hat gerade bekannt gegeben, dass sie im September von allen Kunden über 31 Jahren 5 Euro im Monat verlangt. Das Abwanderungsrisiko wird nach eigenen Angaben auf 5 Prozent geschätzt. Wie schätzen Sie das ein?
Hier wird vermutlich eine geringere Preissensitivität bei älteren Kunden unterstellt, wobei wir in unserer aktuellen Umfrage eine deutliche Abnahme der Wechselbereitschaft erst ab 50 Jahren beobachten. Das grundsätzliche Abwanderungsrisiko von 5 Prozent deckt sich allerdings mit unserer Erfahrung.
Was können und sollten die Banken tun, wenn ein Kunde wechseln will? Und spielt es dabei eine Rolle, ob es sich um einen lukrativen oder nicht so lukrativen Kunden handelt?
Das spielt absolut eine Rolle. Erfolgreiche Banken müssen es schaffen, differenziert vorzugehen und nicht alle Bankkunden gleich zu behandeln. Dazu ist insbesondere ein differenziertes Preis- und Leistungsangebot entscheidend. Dazu ist es wichtig, Frühindikatoren der Wechselwilligkeit zu beobachten und die wechselwillige Kunden rechtzeitig anzusprechen, wie es zum Beispiel in der Telekommunikationsindustrie betrieben wird. Schlussendlich sollten Banken über Multibanking-Funktionen, Plattformangebote und Mehrwertdienste den "Lock-in" des Kunden erhöhen und den Wechselmotiven entgegenwirken.
Und was ist mit den nicht so lukrativen Kunden?
Das hängt natürlich auch von den vorhin genannten "Cost-to-Serve" ab. Grundsätzlich lohnt es sich aber auch, die weniger lukrativen Kunden zu behalten - nur nicht um jeden Preis. Denn die Neukundengewinnung ist immer wesentlich teurer. Und auch bei bisher wenig attraktiven Bestandskunden besteht die Chance einer zukünftigen Aktivierung.
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